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Erdbeben in Mecklenburg-Vorpommern

Alle denken nur an Schwerlasttransporter und falschen Reifendruck

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"Ich dachte, da ist irgendwo eine Bombe hochgegangen und das Haus beginnt einzustürzen." Thomas Kollrepp ist auch am Morgen nach dem Erdbeben noch ganz bleich im Gesicht. Mit Frau und vier Kindern wohnt er in einer doppeletagigen Neubauwohnung in Rostock-Schmarl. Vom sechsten Stockwerk aus, ganz oben unterm Dach, schätzt er den tollem Blick über die Hansestadt. Doch seit Samstagabend, genau 18.35 Uhr, ist ihm die Höhe nicht mehr geheuer.


"Die Schränke haben gewackelt, Stühle sind hin und hergerutscht und die Computermonitore im Arbeitszimmer aneinander geknallt", erzählt er. "Alles schepperte, und das Grollen wurde immer lauter, es war unheimlich." Die Kollrepps hören ein Knallen aus der Küche, dort zieht sich ein Riss bis hoch in die oberste Etage. Auch der Fußboden hat sich gesenkt. Noch am Abend sind Feuerwehr, Katastrophenschutz und Baugutachter vor Ort und geben erst einmal Entwarnung.

Diese Schäden gehören vermutlich schon zu den ernstesten des Abends, Gott sei dank. Am Morgen danach mag keiner der Rostocker so recht daran glauben, dass er ein Erdbeben erlebt hat. Für viele war es dennoch weitaus mehr als eine geringfügige Erschütterung, die laut Erdbebenexperten eigentlich gar nicht hätte bemerkt werden dürfen. "Ich dachte, eine Kolonne von Schwerlasttransportern fährt vor dem Haus vorbei", sagt Doris Günther. "Auf einmal zitterte alles, die Bäume, das Haus, Tisch und Stühle." Kurz zuvor hatten die Vögel auf einmal aufgehört zu singen, fällt ihr ein, dann flogen sie aufgeschreckt davon, nur ein paar Sekunden vor dem Beben.

Jan Kowalski sitzt unterm Dach und arbeitet, als das Haus bebt. "Als ob ein Panzer ins Haus fährt, ich musste mich richtig festhalten am Stuhl, so groß war die Erschütterung." Seiner Frau traut er gar nicht, es zu erzählen. "Ich dachte nur, Mann du bist überarbeitet." Als er am Sonntagmorgen die Nachrichten hört, muss er lachen.

Peter Weißflog schimpft Samstagabend kurz nach halb acht leise, als er mit dem Auto über die Rasensteine vors Haus fährt. Hat seine Frau doch wieder zuviel Luft auf die Reifen gepumpt, so wie das brummt und holpert. Das ganze Auto wackelt ja. Am Sonntag entschuldigt er sich heimlich. Mancher vergleicht die Erschütterung mit einer Horde Trampeltiere, die die Steppe zum Beben bringt. Oder war es gar eine ganze Armada von Überschallflugzeugen?

Auch in der Leitstelle der Rostocker Polizei werden die Erschütterungen verwundert wahrgenommen. Es habe ein leichtes Zittern in den Instrumenten und Überwachungspults gegeben, sagt der Diensthabende. Minuten später klingelten die Notruftelefone Sturm. Noch am Sonntag wollen aufgeregte Bürger wissen, ob Gefahr bestehe. Sogar im 60 Kilometer entfernten Grimmen wollen Einwohner das Beben deutlich gespürt haben.

Andere wiederum haben nichts bemerkt, obwohl sie sich in Hochhäusern oder draußen aufgehalten haben. Weder wackelte das Warnemünder Hotel "Neptun" mit seinen 19 Stockwerken, noch zitterte der 102 Meter hohe Bockkran auf der Kvaerner Warnow Werft. Auch die Risse in der Wohnung von Familie Kollrepp sind ja fast schon gekittet: Ab kommender Woche wird das gesamte Haus von innen und außen saniert. Übrigens planmäßig.

Erstaunt über das "völlig unerwartete Ereignis" geben sich die Seismologen. Anders als im Rheintalgraben oder im Vogtland sei so ein Erdstoß in dieser Region absolut ungewöhnlich, ist sich Gerold Hartmann vom Institut für Geowissenschaften Hannover sicher. Das deutsche Seismologische Datenanalysezentrum, das das Epizentrum 40 Kilometer südöstlich von Rostock mit einer Stärke von 3,2 (Richterskala) ausgemacht hat, geht von einem Bruchvorgang einer Störzone in sehr flacher Tiefe aus. Es könnte auch der Einsturz eines Hohlraumes gewesen sein, meint Hartmann. Auf keinen Fall bestehe ein Zusammenhang mit den jüngsten Erdbeben in Südeuropa oder dem Ausbruch des Ätna auf Sizilien. Auch ein Nachbeben hält der Forscher für eher unwahrscheinlich.

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