DIE Internet-Zeitung
Analyse

Die Situation vor dem Bundeswehr-Einsatz in Mazedonien

Am

400 bis 500 Soldaten will die Bundeswehr im Rahmen einer NATO-Intervention nach Mazedonien schicken. Das Lavieren der Bundesregierung in der letzten Woche - angeblich wurden für den ursprünglich vorgesehenen "30-Tage-Einsatz" keine Truppen zugesagt - entpuppt sich als innenpolitisches Ablenkungsmanöver. Offenbar drängte gerade die deutsche Regierung auf eine härtere Gangart der NATO. "Verteidigungs"minister Scharping erklärte dazu jetzt, dass man von Anfang an einen länger dauernden Einsatz im Auge gehabt habe. Wir wollten "eine klare und realistische Grundlage. Die ist jetzt gegeben: Die 30-Tage-Frist wird je nach Lage verlängert werden, wir in Deutschland hatten eine solche Begrenzung mit sehr gemischten Gefühlen gesehen", zitiert ihn die Welt am Sonntag vom 8. Juli. Außerdem soll es nicht mehr nur um das "Einsammeln von Waffen" gehen, sondern auch um "eine angemessene Reaktionsfähigkeit vor Ort im Falle einer Verschlechterung der Situation."


Ganz offensichtlich spielen bei dieser NATO-Intervention die Rivalitäten zwischen der NATO-Führungsmacht USA und dem deutsch-französischen "EU-Motor" keine geringe Rolle. Hinter dem Einsatz eines deutsch-französischen Bataillons, das mit spanischen Einheiten zusammenwirken soll, verbirgt sich mehr als Symbolik. Bereits im April des letzten Jahres wurde die Übernahme des KFOR-Kommandos im Kosovo durch das Eurokorps durchgedrückt, obwohl das innerhalb der NATO umstritten war. Das Eurokorps versteht sich ausdrücklich als Kern der künftigen EU-Eingreiftruppe. Und die EU hat deutlich gemacht, dass sie den Balkan als ihren "Hinterhof" betrachtet, den sie nach eigenen Interessen zu ordnen wünscht, auch mit einem dritten Protektorat auf dem Balkan.

Die UCK-Separatisten hätten mit dem NATO-Einsatz ein weiteres wichtiges Ziel erreicht. Zuerst wurden sie von EU-Vertretern praktisch von Terroristen zur gleichberechigten Konfliktpartei befördert. Dann wurde die mazedonische Regierung unter die Vormundschaft des außenpolitischen Repräsentanten der EU, Javier Solana, gestellt. Mit einem Einmarsch der NATO rückt die Errichtung eines Protektorates in greifbare Nähe. Hinter der Diskussion um eine "Föderalisierung" Mazedoniens schimmert schon die ethnische Teilung des Landes durch. Die Großalbanien-Pläne der UCK nehmen so Stück für Stück Gestalt an. Schließlich war es der deutsche Außenminister Fischer, der am 21. März erklärte: "Die albanische Frage ist offen." Und in seiner Regierungserklärung vom 6. Juli verurteilte er zwar den "großserbischen Nationalismus", ließ es aber in Sachen Mazedonien beim nebulösen Hinweis auf einen "anderen extremen Nationalismus". Verantwortlich für die Lage in Mazedonien sind laut Fischer immer noch Slobodan Milosevic und "die Hardliner auf beiden Seiten". Die UCK kommt in dieser Erklärung mit keinem Wort vor!

Die Ereignisse von Aracinovo Ende Juni haben deutlich gemacht, wie sehr die UCK sich der Hilfe der imperialistischen Zentralen bedienen kann. Unter dem Druck von NATO und EU musste die mazedonische Regierung 400 UCK-Kämpfer aus diesem Vorort der Hauptstadt Skopje abziehen lassen. Von US-Soldaten eskortiert erhielten sie anschließend sogar ihre Waffen zurück. Und: Unter den Terroristen befanden sich auch 17 amerikanische Militärausbilder, alle offenbar ehemalige Offiziere der US-Army.

Die NATO hat in den vergangenen Tagen gezeigt, dass sie den festen Willen hat, ihre Selbstmandatierungs-Linie durchzuziehen. Als Grundlage für die Mazedonien-Intervention soll eine "Einladung" des mazedonischen Präsidenten Trajkowski genügen, der schon längst nicht mehr Herr im eigenen Hause ist.

So ganz nebenbei darf sich der deutsche Kriegsminister auch über neue Finanzquellen freuen. Die Bundesregierung hat nämlich zugesichert, dass "der Bundeswehr ... für den Fall ihrer Beteiligung die nötigen materiellen Voraussetzungen zur Verfügung stehen" werden. Auch die bisherigen Balkaneinsätze wurden aus anderen Haushaltstiteln als dem "Verteidigungs"haushalt bezuschusst, wobei Scharping es verstand, einen Teil der Mittel in die Umrüstung der Bundeswehr zur Interventionsarmee umzulenken.

Bundeswehr-Finanztopf erstmals seit 1992 über 50 Milliarden Mark

Hochrüstung

Der Finanzrahmen der Bundeswehr wird im kommenden Jahr erstmals seit 1992 wieder die Grenze von 50 Milliarden Mark überschreiten. Das ist nach Angaben von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) vom Freitag durch Kooperationsvereinbarungen mit der Industrie möglich, durch die die Militärs jährlich drei Milliarden Mark außerhalb des eigentlichen Etats zur Verfügung stehen werden. Hinzu kommen 1,5 Milliarden Mark aus dem Sicherheitspaket der Bundesregierung. Der offizielle Etat für 2002 beträgt 46,2 Milliarden Mark. Scharping wies darauf hin, dass weitere Milliardenbeträge durch die Gründung von Beteiligungsgesellschaften aufgebracht werden sollen, die den angespannten Haushalt entlasteten. Scharping hofft, dass ab 2002 rund drei Milliarden Mark jährlich außerhalb des Wehretats fließen werden.

Der Umbau des Bundeswehr zu einer Interventionsarmee ist unter Beteiligung der Rüstungsindustrie im vollen Gange. Eine Milliarde Mark werde von der Industrie für die "Verbesserung" der militärischen Kommunikationstechnik aufgebracht. Mit weiteren 1,5 Milliarden Mark werde der Verteidigungsetat durch eine Beteiligungsgesellschaft im Bereich Liegenschaften entlastet. Bei den geplanten Investitionen in den Fahrzeugpark sollen durch die Zusammenarbeit mit der Industrie jährlich 400 bis 500 Millionen Mark aufgebracht werden.

Mit dieser Größenordnung von gut drei Milliarden Mark käme der Finanzrahmen der Bundeswehr im kommenden Jahr auf einen Wert, der seit 1992 nicht mehr erreicht wurde. Damals lag der Etat bei 52,7 Milliarden Mark, bereits im Folgejahr wurde er auf 49,5 Milliarden Mark reduziert. Seitdem hat der Haushalt des Verteidigungsministeriums nie wieder die 50-Milliarden-Mark-Grenze überschritten.

Am 26-10-2001

Fünfeinhalb Jahre Haft für Bundeswehr-Obergefreiten

Vergewaltigung in Kaserne

Erstmals nach der Zulassung von Frauen zum Truppendienst ist ein Bundeswehrsoldat wegen einer Vergewaltigung in einer Kaserne verurteilt worden. Das Münchner Landgericht schickte am Donnerstag einen 23-jährigen ehemaligen Obergefreiten für fünfeinhalb Jahre hinter Gitter, weil er eine 17-jährige Bundeswehranwärterin in einer Münchner Kaserne vergewaltigt hatte. Die Strafkammer sah es als erwiesen an, dass sich der Angeklagte in das Zimmer der Schülerin geschlichen und sie mindestens eine Stunde lang zum Sex gezwungen hatte. "Das Opfer leidet heute noch unter der Tat", sagte der Vorsitzende Richter Eduard Krapf. Das Verfahren zog sich mit 36 Verhandlungstagen über sieben Monate. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer sieben Jahre Haft gefordert, die Verteidiger verlangten Freispruch. Sie hatten vergeblich versucht, die Glaubwürdigkeit des Opfers zu erschüttern. In ihrem Plädoyer hatten sie bezweifelt, dass es überhaupt eine Vergewaltigung gegeben hatte. Das Gericht hatte jedoch keine Zweifel an den Schilderungen der Auszubildenden. Demnach habe der Täter sie in der Nacht zum 30. März vorigen Jahres in ihrem dunklen Zimmer überwältigt, ihr die Augen verbunden und sie in einen anderen Schlafraum verschleppt. Dabei habe er die junge Frau mehrmals gedreht, damit sie die Orientierung verliert. In dem anderen Zimmer sei sie dann bis 5.00 Uhr morgens mehrfach zum Sex gezwungen worden.

Der Vorsitzende Richter sprach zwar in der Urteilsbegründung von Widersprüchen zwischen den Aussagen der jungen Frau bei der Polizei und vor Gericht. Die 12. Strafkammer erklärte diese aber damit, dass das Opfer einiges möglicherweise mit der Zeit verdrängt habe. Bei der Gegenüberstellung habe die Frau den einstige Obergefreiten der Sanitätsakademie eindeutig identifiziert. So hätten drei Staatsanwälte bestätigt, dass sie stark gezittert habe, als der Mann vorgeführt wurde. Zwei Zeugen hatten bei der Gegenüberstellung sogar befürchtet, dass sie zusammenbreche.

Zudem habe die junge Frau das Schlafzimmer des Angeklagten in der Kaserne als den Tatort wiedererkannt. Während sich der Richter mit den Argumenten der Verteidigung in der Urteilsbegründung auseinander setzte, blickte Verteidiger Hubertus Werner mehrfach grinsend in den Zuschauerraum. Der Angeklagte hörte mit errötetem Gesicht den Gegenargumenten des Gerichts zu. Der Verteidiger kündigte nach der Verhandlung Revision an. Das Urteil sei falsch, sein Mandant sei unschuldig. "Das Gericht hat all das, was meinen Mandanten entlastet, vom Tisch gewischt", sagte er.

Am 08-08-2002

Bundeswehr allzeit bereit

Neue Verteidigungspolitische Richtlinien

Dass die Bundesrepublik keinen Angriff feindlicher Verbände zu fürchten hat, hat sich auch im Verteidigungsministerium herumgesprochen. Was macht nun ein Verteidigungsminister in einer solchen Situation, wenn er nicht einfach abrüsten will? Er definiert den Begriff "Verteidigung" um. Diese, erklärte Minister Struck bei der Vorstellung der neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien, lasse sich "geographisch nicht mehr eingrenzen" und müsse "auch an anderer Stelle dieser Erde" erfolgen. In Zukunft wird also überall auf der Welt Deutschland verteidigt. Alles, was eine olivgrüne Uniform trägt, soll sich der Hauptaufgabe widmen, die im gleichen Neusprech "Internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung" genannt wird, den Antiterrorkampf eingeschlossen. Also Maßnahmen der Art, wie sie in Jugoslawien, Afghanistan und auch im Irak vorgeführt worden sind. Beim Stichwort Jugoslawien weiss man auch gleich, wie viel von der Versicherung Strucks zu halten ist, stets das Völkerrecht zu beachten.

Anlässe für Bundeswehreinsätze, so steht es nun in der obersten Richtschnur der Truppe, könnten "sich weltweit und mit geringem zeitlichen Vorlauf ergeben und das gesamte Einsatzspektrum bis hin zu Operationen mit hoher Intensität umfassen". Die Bundeswehr allzeit bereit.

Weit gebracht hat es die Truppe seit 1990, im Wortsinn. Derart offen hat seit 1945 keine deutsche Regierung angekündigt, überall auf der Welt ihre Soldaten hinzuschicken, wenn es die "deutschen Interessen" erforderten.

Damit die künftig häufiger zu erwartenden Kriege nicht immer so mühsam durch den Bundestag abgesegnet werden müssen, haben sich laut Struck alle Bundestagsfraktionen im Grundsatz auf ein "Parlamentsbeteiligungsgesetz" geeinigt. Merke: Nach derzeitigem Recht entscheidet das Parlament alleine, in Zukunft soll es an der Entscheidung "beteiligt" werden.

Hinter den Verteidigungspolitischen Richtlinien steht ein Beschaffungsprogramm, das in den nächsten zehn Jahren für neue Transportflugzeuge, Satellitenaufklärung, gepanzerte Transportfahrzeuge und alles, was man fürs Kriegführen in fernen Ländern braucht, zwischen 80 und 100 Milliarden Euro veranschlagt. Davon wird die Bundeswehr Abstriche hinnehmen müssen, aber die größeren Abstriche wird es bei Arbeitslosen, SozialhilfeempfängerInnen und RentnerInnen geben. Krieg nach außen, Krieg nach innen. Es wird Zeit, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Am 26-05-2003

Bundeswehr besitzt Tausende Streubomben

Kein Verzicht auf geächtete Waffen

Die Bundeswehr besitzt mehrere tausend Streubomben. Das Verteidigungsministerium bestätigte am Montag in Berlin einen entsprechenden Bericht des SWR-Politikmagazins "Report Mainz". Die Luftwaffe verfüge über solche Waffen, die jeweils 147 Sprengkörper freisetzen könnten, hatte das Magazin am Montag vorab berichtet. Außerdem seien Raketen im Besitz des Heeres, deren Gefechtsköpfe je 644 Bomben enthielten. Wegen ihres Einsatzes gegen Zivilisten, darunter speziell Kinder, in Jugoslawien-, Afghanistan- und Irak-Krieg hatte es weltweit Proteste gegen Streubomben gegeben. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) forderte das Bundesverteidigungsministerium in dem Beitrag auf, die Streumunition aus dem Arsenal der Bundeswehr zu entfernen. Auch Grünen-Chefin Angelika Beer forderte von der Bundesregierung eine umgehende Vernichtung der Streubomben in den Bundeswehrbeständen. Sie kündigte zugleich an, dass ihre Partei alle Initiativen zur internationalen Ächtung von Streubomben unterstützen werde. Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) forderte ein weltweites Verbot dieser "mörderischen Waffen".

Der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei betonte: "Der Einsatz von Streubomben läuft Bestimmungen des humanitären Kriegsvölkerrechts eindeutig zuwider." Streubomben gehörten zu den "unterschiedslos wirkenden Waffen", die wegen des hohen Prozentsatzes nicht explodierter Sprengkörper vor allem für die Zivilbevölkerung über lange Zeiträume eine tödliche Gefahr darstellten. Daher müsse "ein EU-weites Moratorium" gegen den Einsatz dieser Bomben vorangetrieben werden.

Die Bundeswehr will jedoch nicht auf die gefährlichen Waffen verzichten, hieß es aus Militärkreisen. "Es ist unlogisch und unglaubwürdig, wenn die Entwicklungsministerin gegen sie kämpft, während der Verteidigungsminister sie hortet", kommentierte dies die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau. "Ein weltweites Verbot von geächteten Waffen beginnt immer zuhause."

Nach "Report"-Informationen stellt eine saarländische Firma Streumunition her, die sie international vertreibt. Sie stehe sogar im Verdacht, das System auf Rüstungsmessen in Polen und Tschechien angeboten zu haben.

Am 17-11-2003

Protest gegen Bundeswehr auf Leipziger Buchmesse

Messe lobt Bundeswehr-Angebot

Ein Bündnis von Autoren und Verlegern, darunter Harry Rowohlt, Gerhard Zwerenz und Peter Handke, protestiert gegen die massive Präsenz der Bundeswehr auf der Leipziger Buchmesse. Sie fordern die Leitung der Buchmesse auf, die Bundeswehr künftig nicht mehr zur Messe zuzulassen und kritisieren die Privilegierung eines branchenfremden Ausstellers. Für Samstag ist eine Protestkundgebung angekündigt. Unter dem Titel "Leipzig schießt - Keine Bundeswehr auf der Buchmesse" kritisiert das Bündnis die "Militarisierung der Buchmesse". Die Bundeswehr stellt keine Bücher aus, "sondern nutzt die Messe, um für ihr neues Konzept weltweiter Militäreinsätze besonders unter Jugendlichen und Lehrern zu werben", heißt es im Aufruf.

Die Frankfurter Buchmesse im letzten Jahr habe bereits auf die Anwesenheit der Bundeswehr verzichtet.

Die Leipziger Buchmesse erklärte, die man habe die Kritik gemeinsam mit der Bundeswehr ausgewertet. "Danach stand die Entscheidung fest, dass die Bundeswehr mit ihrem Bildungsprojekt 'POL&IS' auch auf der kommenden Leipziger Buchmesse teilnehmen wird", so die Messe. Das Spiel vermittle umfassende Einblicke in die komplexen Zusammenhänge und Strukturen von Politik und Wirtschaft und ordne sich in die zielgruppenspezifischen Angebote der Leipziger Buchmesse für Jugendliche der Gymnasialstufe ein. Für die Leipziger Messe sei es selbstverständlich, dass sie keinerlei Zensur bezüglich der von den Buchmesseausstellern präsentierten Produkte, Dienstleistungen und Informationsangebote ausübe.

Die Protestkundgebung ist für Samstag um 13 Uhr am Bundeswehr-Stand in Halle 2, Stand F 400, angekündigt.

Am 26-03-2004

Bundeswehr soll auch Kriegsverbrecher als Vorbilder ehren

20. Juli

Im Vorfeld des Bundeswehrgelöbnisses zum 60. Jahrestag des 20. Juli 1944 werde deutlich, dass sich die Bundeswehr in einem Rückzugsgefecht befinde: Wider besseres Wissen versuche sie, den Mythos vom "sauberen 20. Juli" zu retten, erklärt die Kampagne gegen Kriegsdienst und Wehrpflicht. Dazu antwortete der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Generalleutnant Hans-Heinrich Dieter, auf einer Tagung, die vergangene Woche in Berlin und Potsdam stattfand, die Attentäter hätten "das Bewusstsein ihrer eigenen Schuld als Antrieb verstanden, dem Unrecht ein Ende zu setzen". Dieter bezieht sich auf Ergebnisse der historischen Forschung, die zum Schluss kommen, dass die Attentäter des 20. Juli nicht die Lichtgestalten sind, als die sie beim Gelöbnis am 20. Juli dargestellt werden. Dieters Vortrag diene der Abwehr dieser Erkenntnisse und versucht, hinfällig gewordene Geschichtsmythen zu retten. Mit keinem Wort gehe Dieter darauf ein, dass Henning von Tresckow als verantwortlicher Leiter der "Partisanenbekämpfung" im besetzten Weißrussland mehrfach für Massaker an der Zivilbevölkerung verantwortlich wurde.

Dass die Attentäter aus ihren Verbrechen gelernt hätten, muss Laut Kampagne gegen den Wehrdienst in den Bereich der Legendenbildung verwiesen werden. Unzweifelhaft versuchte etwa Tresckow bereits im März 1943, Attentatspläne umzusetzen, doch ebenso unzweifelhaft hat er noch danach Kriegsverbrechen angeregt bzw. angeordnet: So etwa sein Vorschlag, große Gebiete Weißrusslands zur "toten Zone" zu erklären (April 1943), seine Anordnung, Sowjetbürgern, die sich der Zwangsarbeit verweigerten, als "bandenverdächtig" anzusehen, was einem Todesurteil gleichkam (April 1944), oder sein Bemühen, im Rahmen der "HEU"-Aktion sowjetische Kinder "einzusammeln" und ins Reichsgebiet zu verschleppen (28.Juni 1944!).

Die Kampagne empfiehlt Generalleutnant Dieter, seine eigenen Worte ernst zu nehmen: "Es ist die Aufgabe aller Angehörigen der Bundeswehr, aus den gewonnen historischen Erkenntnissen nach den heutigen Wertmaßstäben solche Personen und Ereignisse auszuwählen, die als vorbildlich und traditionswürdig verstanden werden.

Unter einer solchen Perspektive verbiete sich die positive Bezugnahme auf Offiziere wie Tresckow, Wagner, Stülpnagel, Hoepner und viele andere. Statt solche Kriegsverbrecher zu ehren, sollte die Bundesregierung endlich die Deserteure und Kriegsdienstverweigerer des Zweiten Weltkrieges angemessen ehren, verlangt die Kampagne gegen den Wehrdienst.

Am 12-07-2004

Bundeswehr ohne Wehrpflicht wäre billiger

Experte

Eine Freiwilligen-Armee wäre nach Expertenmeinung billiger als die heutige Bundeswehr. Der sicherheitspolitische Fachmann der Stiftung Wissenschaft und Politik, Hans Lemke, sagte der "Berliner Zeitung", die Aufgabe der Wehrpflicht müsse dem Staat keine Zusatzkosten verursachen. "Eine Freiwilligen-Armee mit 220.000 Soldaten dürfte bei gleicher Einsatzleistungsfähigkeit betriebswirtschaftlich billiger sein als die Wehrpflicht-Armee mit 250.000 Soldaten, wie Struck sie jetzt plant", sagte Lemke. Er fügte hinzu: "Denn der Verzicht auf die Wehrpflicht bedeutet auch, dass man mit weniger Zivilbediensteten und Ausbildungspersonal auskommt und dass man bei den Betriebskosten sparen kann." Auch in der SPD nehme die Zustimmung zur Berufsarmee zu, schreibt die Zeitung. Die Ankündigung, 105 weitere Bundeswehr-Standorte zu schließen, heize die Debatte an, sagte der Abgeordnete Hubertus Heil. "Es gibt einen neuen Schub in Richtung Abschaffung der Wehrpflicht."

"Ich bin überzeugt, dass wir das Ende der Wehrpflicht in kurzer Zeit erleben werden", sagte auch das SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen. Mittlerweile würden nur noch so wenige junge Männer eingezogen, dass die Wehrgerechtigkeit verletzt werde. Kurz oder lang werde deswegen ein Gericht dahin kommen, die Wehrpflicht zu kippen. "Ich bin dafür, dass wir diesen Prozess lieber politisch gestalten", sagt Annen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Frage, ob die Einberufung nur eines kleinen Teils der verwendungsfähigen Wehrpflichtigen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt, ausdrücklich als offen bezeichnet. Verwaltungsgerichte hatten die Einberufungspraxis "willkürlich" genannt und teilweise allen Dienstpflichtigen Rechtsschutz vor Einberufungen gewährt.

Am 03-11-2004

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