Sicherlich könne das Risiko einer Wiederholungstat bei einigen Tätern nicht ausgeschlossen werden, räumte der Kriminologe ein. Mit dem "Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten" vom Januar 1998 sei aber bereits "ein ziemlich breites Instrumentarium geschaffen worden, um dem vorzubeugen". Dabei stehe der Schutz der Kinder klar an erster Stelle. So seien die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung von rückfallgefährdeten Tätern gesenkt worden. Ebenso könne heute schon im Strafvollzug die Überweisung in eine Sozialtherapie angeordnet werden. Bei Verurteilten, die eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr voll verbüßt haben, sei zudem automatisch eine Führungsaufsicht zu ihrer Überwachung in Freiheit für eine Dauer von mindestens fünf Jahren, "wenn nicht lebenslänglich" vorgeschrieben.
Kerner betonte, es sei fraglich in welche Richtung die Äußerungen des Kanzlers zielten. Es bleibe unklar, ob schon die Gesetze nach Auffassung Schröders nicht ausreichen oder es an ihrer Anwendung mangelt. Im letzteren Fall müssten möglicherweise neue Richtlinien erlassen werden, damit die Akten und die Persönlichkeit der Täter noch genauer studiert werden. "Die Forderung, jeden Fall genau abzuwägen, ist sicher richtig", sagte der Wissenschaftler. Der weit verbreitete Vorwurf, Täter würden immer wieder zu früh aus der Haft entlassen, sei jedoch keineswegs durch Studien belegt, fügte er hinzu.
Auch auf eine Abschreckung potenzieller Sexualstraftäter durch härtere Strafen, "sollte man nicht zu viel vertrauen", sagte Kerner weiter. Untersuchungen zufolge bedächten Täter die Konsequenzen ihrer Tat sehr viel weniger als es die Vorstellung vom rational handelnden Menschen nahe lege. Oft würden sie auch einfach "von der Situation überrannt".
Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, betonte, die Forderung des Kanzlers sei bei Sexualmorden an Kindern bereits Realität. Allerdings ließen die Therapien für die Täter zu wünschen übrig. Kriminologen kritisieren bereits seit längerem, dass dafür nicht genügend Finanzmittel zur Verfügung stehen.