Erneut hagelte es auch Kritik am Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts, wonach Stasi-Akten von Alt-Kanzler Helmut Kohl (CDU) nicht herausgegeben werden dürfen. Gauck sagte, er könne den Richterspruch nicht nachvollziehen. Nach dem Stasi-Unterlagengesetz stehe Opferschutz nicht über Aufklärung. Das Privatleben der Opfer werde ohnehin geschützt. Das übrige Material müsse zur Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit der Öffentlichkeit zu Verfügung stehen.
Die Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion, Iris Gleicke, sagte, jene, die das Stasi-Unterlagengesetz erkämpft hätten, müssten sich jetzt "verraten und verkauft vorkommen". Sie hoffe, dass der Richterspruch keinen Bestand habe. Grünen-Fraktionschef Schlauch kritisierte, mit dem Urteil werde eine nahezu zehnjährige, allgemein gültige Rechtspraxis auf den Kopf gestellt. Weitere Aufklärung und Aufarbeitung würden unmöglich gemacht. Schlauch sprach sich für eine Änderung des Stasiunterlagengesetzes aus, sollte die Rechtsmeinung der Berliner Richter bestätigt werden.
Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" setzte Schily der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen ein Ultimatum. Birthler müsse bis Montag 12.00 Uhr, schriftlich bestätigen, dass sie künftig nur noch mit Zustimmung der Betroffenen Akten herausgibt. Die Behörde hat bereits mitgeteilt, dass sie ihre Herausgabepraxis auch nach dem Berliner Urteil nicht ändern will. Über Rechtsaufsichtsmaßnahmen könne Schily nur mit Zustimmung des Bundeskabinetts entscheiden, hieß es weiter.