Überblick
- Zum 1. September gibt es 3,2 Prozent mehr Gehalt
- Ex-Minister Palmer und Döring kassieren möglicherweise zu Unrecht
- Vor Wahlen gibt man sich sozial
- Zahnarzt-Funktionäre vervierfachen offenbar ihr Gehalt
- Gebäudereiniger sollen für 6 bis 8 Euro pro Stunde arbeiten
- Beamte wollen nach drei Jahren Nullrunden 2,9 Prozent mehr Gehalt
- Greenpeace vergleicht Pestizid-Gehalt in Obst und Gemüse der Supermärkte
- Mindestlohn-Pläne in der Kritik
- Ringen um Mindestlöhne unbekannter Höhe
Wie es weiter hieß, liegt die tarifliche Wochenarbeitszeit in Deutschland seit Jahren nahezu unverändert bei 37,0 Stunden.
Zum 1. September gibt es 3,2 Prozent mehr Gehalt
Tarifeinigung am Bau perfekt
Die Einigung im Tarifkonflikt des deutschen Baugewerbes ist perfekt. Der erste bundesweite Arbeitskampf seit 50 Jahren in der Branche sei mit der Annahme des Tarifergebnisses durch beide Vertragsparteien beendet, erklärte die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) am Donnerstag. Nach den Gewerkschaftsmitgliedern hätten sich auch die Arbeitgeber - der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) - mehrheitlich für die Annahme des Tarifkompromisses vom 25. Juni ausgesprochen. IG-BAU-Chef Klaus Wiesehügel betonte nach Ablauf der Erklärungsfrist am Nachmittag, der mehr als einwöchige Streik zehntausender Bauleute habe "sich gelohnt". Letzlich sei "ein Gesamtergebnis herausgekommen, das sich sehen lassen kann". Ohne den Arbeitskampf wäre dies jedoch nicht möglich gewesen, fügte Wiesehügel hinzu. Bis zuletzt hätten die Arbeitgeber in ihren Verbänden um die Zustimmung gerungen und damit sogar eine Fortsetzung des Arbeitskampfes riskiert.
ZDB-Vizepräsident Werner Kahl reagierte erleichtert auf die mehrheitliche Zustimmung der Mitgliedsverbände. Vor allem die neue Lohnstruktur, der neue Rahmentarifvertrag und die Reform der Zusatzversorgung sei bei der Abwägung entscheidend gewesen. Für die Verbände, die den Tarifabschluss abgelehnt hätten, sei das Ausmaß der Lohnerhöhung ausschlaggebend gewesen. Kahl kündigte an, dass angesichts der zurückliegenden harten Tarifauseinandersetzung intensiv über die künftige Strategie diskutiert werde.
Der Zweckverbund Ostdeutscher Bauverbände (ZVOB) wertete hingegen den Mindestlohn-Tarifabschluss als "Todesstoß für das Baugewerbe der neuen Bundesländer und Berlins". Das Einknicken der von den Landesverbänden der alten Bundesländer dominierten zentralen Tarifvertragsparteien nach dem kurzen, einwöchigen Streik sei eine "Katastrophe für den Osten", bekräftigte ZVOB-Vizepräsident Kaspar-Dietrich Freymuth in Berlin. Die Landesverbände des ZDB und des Bauindustrieverbandes in den neuen Ländern hätten sich nicht durchsetzen können und seien von den Arbeitgeberverbänden-West, insbesondere von der Großindustrie, "überfahren" worden, erklärte Freymuth. Wenn diese Regelung allgemeinverbindlich werde, bedeutet dies das Aus für das Baugewerbe der neuen Länder und Berlins.
Wiesehügel zufolge geht in den tarifungebundenen Betrieben der Branche der Arbeitskampf weiter, bis diese in den Arbeitgeberverband zurückgekehrt sind und den Flächentarifvertrag anerkennen.
Der am Dienstag voriger Woche erzielte Tarifkompromiss sieht vor, die Löhne und Gehälter der 850.000 Beschäftigten am Bau zum 1. September um 3,2 Prozent und zum 1. April 2003 nochmals um 2,4 Prozent anzuheben sowie neue Mindestlöhne für Facharbeiter in Ost und West ab 1. September 2003 einzuführen. Zudem wurden für die Monate Juni, Juli und August dieses Jahres Einmalzahlungen von je 75 Euro vereinbart. Dabei gibt es regionale Modifizierungen.
Am 04-07-2002
Ex-Minister Palmer und Döring kassieren möglicherweise zu Unrecht
"Ruhegehalt" für Unternehmensberater
Die ehemaligen baden-württembergischen Minister Christoph Palmer (CDU) und Walter Döring (FDP) erhalten nach einem "Spiegel"-Bericht möglicherweise zu Unrecht Pensionen. Laut einem Rechtsgutachten der SPD-Fraktion hätten die beiden Ex-Kabinettsmitglieder keinen Anspruch darauf, schon jetzt eine Ministerpension von jeweils mehreren tausend Euro monatlich zu kassieren, berichtete das Nachrichtenmagazin am Samstag vorab. Das Ministergesetz von 1998 sehe vor, dass das Ruhegehalt erst mit 55 Jahren gezahlt werde.
Der 50-jährige Döring war im Juli im Zuge der so genannten Umfrage-Affäre als Wirtschaftsminister zurückgetreten. Seit November erhält er dem Bericht zufolge neben Landtagsdiäten und seinem Einkommen als Unternehmensberater ein monatliches Ruhegehalt von etwa 4300 Euro. Auch der erst 42 Jahre alte Ex-Staatsminister Palmer, der im November wegen einer Ohrfeige für einen Parteifreund aus dem Kabinett ausgeschieden war, solle von März an eine Pension von rund 4300 Euro einstreichen - zusätzlich zu seinen monatlichen Abgeordnetendiäten von 4750 Euro.
Der baden-württembergische SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler bezeichnete die Praxis als "pure Abzockerei". Für die Zahlungen gebe es keine rechtliche Grundlage. Möglicherweise sei sogar der Straftatbestand der Untreue erfüllt.
Palmer wurde laut "Spiegel" erst nach Verabschiedung des Ministergesetztes Kabinettsmitglied, Döring sei zu diesem Zeitpunkt erst eineinhalb Jahre Minister gewesen und erfülle die Kriterien dem SPD-Gutachten zufolge ebenfalls noch nicht. Die Landesregierung erachte die Zahlungen dagegen für rechtmäßig, hieß es weiter.
Bundespräsident Horst Köhler hat am Wochenende vor einer pauschalen Darstellung von Politikern mit Nebeneinkünften als "Raffkes" gewarnt.
Am 10-01-2005
Vor Wahlen gibt man sich sozial
Mindestlöhne
In der Debatte um Lohndumping durch Billigarbeitskräfte aus Osteuropa hat der nordrhein-westfälische Wirtschafts- und Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) gefordert, ähnlich wie im Baugewerbe auch in anderen Branchen Mindestlöhne einzuführen. "Man sollte das Entsendegesetz erweitern", sagte der nordrhein-westfälische SPD-Chef der "Financial Times Deutschland" laut Vorabbericht. Dazu sollten Arbeitgeber und Gewerkschaften selbst Regelungen in den einzelnen Branchen vereinbaren und dann beantragen, dass die Bundesregierung die jeweiligen Mindestlöhne für allgemein verbindlich erklärt. Bei Bundesregierung und Union werden derzeit ähnliche Vorschläge diskutiert.
Das so genannte Entsendegesetz schreibt bislang nur für verschiedene Baugewerbe sowie die Seeschifffahrt Mindestbedingungen wie untere Lohngrenzen vor. Schartau rief die Arbeitgeber auf, an branchenspezifischen Regelungen mitzuwirken. "Die Tarifparteien sollten selbst Vorschläge machen, wie man dem Sozialdumping einen Riegel vorschiebt", sagte er. Die Arbeitgeber müssten den Eindruck vermeiden, dass ihnen das Problem gleichgültig sei.
Von der EU verlangte Schartau, sich mehr Gedanken über die soziale Harmonisierung zu machen. "Es kann nicht sein, dass ständig Wettbewerbsraketen abgeschossen werden, die in den einzelnen Staaten als vergiftete soziale Pfeile landen", warnte er. Denn sonst wachse der Widerstand gegen den europäischen Binnenmarkt.
Die Regierung will nach Berichten mehrerer Zeitungen rasch ein Gesetz gegen Billiglöhne auf den Weg bringen. Dazu sollen gemäß dem Entsendegesetz in weiteren Branchen allgemeinverbindliche Tarife vorgeschrieben werden. "Das ist ein sehr geeigneter Weg", hieß es der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zufolge in Regierungskreisen. Eine "Task Force Dienstleistungsmissbrauch" solle kurzfristig Vorschläge erarbeiten. Auf das Reizwort "Mindestlohngesetz" wollten Regierung und Opposition verzichten. Zunächst solle die Neuregelung für das Gebäudereinigungsgewerbe gelten, berichtete die "Welt am Sonntag".
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sagte, derzeit werde geprüft, in welche Branchen allgemeinverbindliche Tarife eingeführt werden könnten. "Das kann sinnvoll sein, um dort eine einigermaßen sinnvolle Einkommensstruktur sicher zu stellen", sagte er.
Der Regierungsplan wird auch von der CDU-Spitze gut geheißen. CDU-Generalsekretär Volker Kauder sagte, um Lohndumping zu verhindern, "sollten wir das Entsendegesetz, das Tariflöhne verbindlich auch für Ausländer vorschreibt, auf andere Branchen ausdehnen". CDU-Chefin Angela Merkel betonte: "Wir dürfen Lohndumping nicht einfach hinnehmen." Es seien daher "branchenspezifische Mindestregelungen" nötig.
Bisher gilt das Entsendegesetz nur für den Bau, das Abbruchgewerbe sowie für das Dachdecker-, Maler- und Lackiererhandwerk. Das Gesetz schreibt vor, dass sich auch ausländische Arbeitgeber an den hiesigen Mindestlohn halten müssen, wenn sie Arbeitnehmer nach Deutschland schicken. Als besonders problematisch gilt derzeit die fleischverarbeitende Industrie. Auf deutschen Schlachthöfen sind viele Billigarbeitskräfte aus Osteuropa beschäftigt.
Die Gewerkschaften unterstützten eine Erweiterung des Entsendegesetzes. Der Vize-Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, und die Vize-Chefin der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Margret Mönig-Raane, begrüßten entsprechende Pläne.
Auch die Grünen unterstützen die Absicht ihres Koalitionspartners SPD, zum Schutz deutscher Firmen vor ausländischer Billig-Konkurrenz die vorhandenen Schutzregeln auszubauen. "Die Ausweitung des Entsendegesetzes auf andere Branchen wäre ein geeigneter Weg, um gegen Lohndumping vorzugehen", sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Thea Dückert, der "Berliner Zeitung". Die Maßnahmen sollten rasch auf den Weg gebracht werden. "Wir müssen jetzt schnell handeln", verlangte sie.
Die Arbeitsmarkt-Expertin verwies jedoch darauf, dass eine einfache Ausweitung des Entsendegesetzes europarechtliche Probleme bringen könnte. Man sollte die Allgemeinverbindlichkeitserklärung nutzen, um zunächst für inländische Beschäftigte die unteren Tarifgruppen als Mindestlohn zu definieren. Das erweiterte Entsendegesetz sorge dann dafür, dass dieser branchenspezifische Mindestlohn auch für ausländische Kräfte gelte.
Am 11-04-2005
Zahnarzt-Funktionäre vervierfachen offenbar ihr Gehalt
Armut & Reichtum
Neben Kassenchefs und Ärzte-Funktionären konnten nach einem Zeitungsbericht auch die Vertreter der Zahnärzte ihre Gehälter im vergangenen Jahr kräftig steigern. Die Bezüge einzelner Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZV) seien um mehr als 300 Prozent gewachsen, schreibt die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Statistiken. Spitzenreiter sei der Chef der KZV Westfalen-Lippe, Dietmar Gorski, dessen Gehalt nun bei 221.600 Euro liege. Ein Jahr zuvor habe es 49.000 Euro betragen - ein sattes Plus von 350 Prozent. Damit verdiene Gorski mehr als der Chef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) Jürgen Fedderwitz, der mit 220.000 Euro nach Hause gehe. Zuvor hätten dessen Bezüge bei 73.600 Euro gelegen, wobei damals weitere Zahlungen wie Sitzungsgelder hinzukamen.
Gorski bestritt in den Dortmunder "Ruhr Nachrichten", dass sein Jahresgehalt von 49.000 auf 220.000 Euro gestiegen sei, bestätigte allerdings eine Steigerung seiner Bezüge um 350 Prozent. Diese Steigerung sei in der Umwandlung seiner Funktion von einem Ehrenamt zu einer hauptberuflichen Tätigkeit begründet. Es sei also nicht gerechtfertigt, von einem Gehalt zu sprechen.
Nach den Unterlagen haben besonders die Zahnarzt-Funktionäre in Ostdeutschland ihre Bezüge kräftig erhöht, betont das Blatt. So sei in Thüringen das Gehalt des KZV-Vorsitzenden von 29.400 Euro auf 120.000 Euro gestiegen, die nun Karl-Friedrich Rommel erhalte. Der Chef der KZV Mecklenburg-Vorpommern, Wolfgang Abeln, bekomme inzwischen 146.800 Euro, bei seinem Vorgänger seien es 36.800 Euro gewesen.
Auch im Westen konnten einige Funktionäre ihre Bezüge kräftig anheben, schreibt die Zeitung. In Baden-Württemberg seien mehrere kleinere KZVen zusammengelegt worden, was lukrative Folgen habe. So habe der Chef der früheren KZV Freiburg eine Aufwandsentschädigung von 28.200 Euro erhalten, die Vorstandsmitglieder der neuen KZV Baden-Württemberg kämen auf 170.000 bis 175.000 Euro.
Ein Sprecher der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) verwies dem Blatt zufolge in diesem Zusammenhang auf die Gesundheitsreform, wodurch sich die Aufgaben der KZVen geändert hätten. Nun seien die Vorstände hauptamtlich tätig. "Eine solche Entwicklung muss sich in den Gehältern widerspiegeln", sagte ein KZBV-Sprecher.
Am 27-04-2005
Gebäudereiniger sollen für 6 bis 8 Euro pro Stunde arbeiten
"Noch Hunderte Branchen"
Für die Gebäudereiniger in Deutschland soll künftig ein niedriger Mindestlohn gelten. Das Kabinett beschloss am Mittwoch in Berlin, das Arbeitnehmerentsendegesetz auf das Gebäudereinigerhandwerk auszuweiten. Die Bundesregierung will mit der Ausweitung die rund 850.000 Gebäudereiniger in Deutschland vor Lohndumping schützen. Nach dem Entsendegesetz müssen ausländische Arbeitnehmer nach deutschem Tariflohn bezahlt werden. Bisher gilt die Regelung nur für die Baubranche. Der Tarifvertrag sieht für Gebäudereiniger einen Stundenlohn von mindestens 7,87 Euro im Westen und 6,36 Euro im Osten vor. Die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, sprach von "Etikettenschwindel". Es mache keinen Sinn, einen Mindestlohn nur für einzelne Branchen einzuführen. Notwendig ein gesetzlicher Mindestlohn für all jene, die keinen Tariflohn erhielten und "für Armutslöhne arbeiten". Ein Mindestlohn nur für die Beschäftigten von einzelnen Branchen schaffe neue soziale Ungerechtigkeiten. Vollkommen unverständlich sei zudem, "dass erneut unterschiedliche Sätze in Ost und West gelten sollen". Die FDP verlangte hingegen "mehr Markt statt Marx".
Die Voraussetzungen für das Gesetz sind nach Angaben der Bundesregierung gegeben, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sich hierfür ausgesprochen hätten und ein bundesweiter Tarifvertrag gelte. Dieser könne damit auch auf Arbeitgeber ausgedehnt werden, die eigentlich nicht tarifgebunden seien.
Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) will eine Ausweitung auf alle Branchen erreichen, um bundesweit Mindestlöhne sicherzustellen. Müntefering sagte, bei einer Ausweitung des Entsendegesetzes könne die lückenlose Sicherung eines tariflichen Mindestlohns gewährt werden. Es gebe neben den Gebäudereinigern noch Hunderte Branchen, die in vergleichbaren Situationen seien. "Und da muss man jetzt Zug für Zug versuchen, das Feld aufzurollen", meint der Minister. Dies werde allerdings schwierig werden, dämpfte Müntefering sogleich die Erwartungen. Ein gesetzlicher Mindestlohn berge Probleme, weil die Löhne in den einzelnen Branchen sehr unterschiedlich hoch seien.
"Wenn Franz Müntefering nun die Position der Linken übernimmt, dass der Mindestlohn für alle Wirtschaftszweige gelten muss, ist das zu begrüßen", sagte Links-Fraktionschef Oskar Lafontaine. "Sein Wankelmut", dass dies aber schwierig durchzusetzen sei, zeige jedoch sein mangelndes Vertrauen in die eigene politische Handlungsfähigkeit. "Es kann nicht sein, dass der flächendeckende Mindestlohn, der in anderen europäischen Nachbarländern längst funktioniert, bei uns nicht umsetzbar sein soll. Müntefering mangelt es an politischem Durchsetzungswillen", kritisierte Lafontaine.
Die Linke hatte anlässlich der Kabinettssitzung vor dem Kanzleramt einen gesetzlichen Mindestlohn wie in anderen europäischen Ländern gefordert. Die Partei verwies darauf, dass derzeit in den deutschen Nachbarländern Luxemburg ein Mindestlohn von 8,69 Euro pro Stunde, in Frankreich von 8,03 Euro, in Belgien von 7,48 Euro und in den Niederlanden von 7,96 Euro gesetzlich vorgeschrieben sei. Auch in Irland mit 7,65 Euro und Großbritannien mit 7,36 Euro werde ein Mindestlohn gezahlt.
Der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf sagte: "Die Mehrheit der EU-Länder hat einen gesetzlichen Mindestlohn. Die Mehrheit dieser Länder hat auch eine bessere Arbeitsmarktsituation und einen höheren Beschäftigungsgrad, weil sie eben nicht den Weg gegangen sind, die Löhne nach unten zu nivellieren und damit die Binnenkaufkraft und Unternehmensstrukturen zu zerstören, sondern weil sie einen Mindeststandard eingeführt und damit für Stabilität gesorgt und Wachstum ermöglicht haben. Das ist der Weg, den wir in der Bundesrepublik Deutschland gehen müssen." Der von der Linken geforderte generelle Mindestlohn von 8 Euro pro Stunde "entspricht einem Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze, die derzeit bei monatlich 990 Euro liegt".
"In Deutschland sind sechs Millionen Menschen von Dumpinglöhnen betroffen", sagte die stellvertretende Links-Fraktionsvorsitzende Inge Höger. Für ein reiches Industrieland sei das eine Schande. "Es darf nicht sein, dass Menschen von ihrer Hände Arbeit kein anständiges Leben führen können. Schon mehrfach hat das Bundesarbeitsgericht den Arbeitgebern ins Stammbuch geschrieben, Tarifverhandlungen dürfen nicht zur kollektiven Bettelei verkommen." Doch landauf- landab würden Beschäftigte, ihre Betriebsräte und die Gewerkschaften erpresst.
FDP gegen die Sicherung von Mindesteinkommen im Niedriglohnsektor
FDP-Generalsekretär Dirk Niebel warf der Regierung vor, Ziel sei nicht der Schutz vor billiger Konkurrenz aus dem Ausland, sondern die Sicherung von Mindesteinkommen im Niedriglohnsektor. Damit würden einfache Tätigkeiten legal oft unwirtschaftlich und deshalb in die Schwarzarbeit abgedrängt.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, bezeichnete jeden Mindestlohn als "maximalen Unsinn". Sein Chredo: "Liegen festgelegte Löhne über dem Marktpreis, vernichteten sie Arbeitsplätze, liegen sie darunter, sind sie wirkungslos. Dieser Grundeinsicht in das wirtschaftspolitische Einmaleins verweigern sich die schwarz-roten Sozialdemokraten weiter stur."
"Deutschland braucht mehr Markt, nicht mehr Marx", so Brüderle. "Lohnintensive Branchen lassen sich nicht durch Lohnmauern vor Konkurrenz schützen." Damit Arbeitsplätze erhalten blieben und neue "Jobs" entstehen könnten, müsse die Bundesregierung betriebliche Bündnisse für Arbeit zulassen. "Jobverhinderer wie der starre Kündigungsschutz und Jobkiller wie die Mehrwertsteuererhöhung gehören endlich aus dem Verkehr gezogen", so Brüderle.
Der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks begrüßte die Aufnahme in das Entsendegesetz. Dies eröffne die Chance, den aktuellen allgemeinverbindlichen Lohntarifvertrag europafest zu machen. Mit der Regelung werde - nach der gesetzlichen Umsetzung - ein unfairer Wettbewerb durch massives Lohndumping verhindert. "Ermöglicht wird eine verschärfte Kontrollmöglichkeit der inländischen und ausländischen Betriebe durch die Hauptzollämter. Das Gebäudereiniger-Handwerk stellt sich diesen Herausforderungen und wird seinen Beitrag dazu leisten, dass gerade im Bereich der gering qualifizierten Tätigkeiten angemessene Arbeitsbedingungen umgesetzt und erhalten werden können", teilte der Verband mit. Der Bundesinnungsverband sprach sich darüber hinaus für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen aus.
Am 23-08-2006
Beamte wollen nach drei Jahren Nullrunden 2,9 Prozent mehr Gehalt
"Ende der Sparmaßnahmen" gefordert
Die rund 1,7 Millionen Beamten in Deutschland wollen besser bezahlt werden. Die Gewerkschaft dbb Beamtenbund und tarifunion hält deutliche Einkommenserhöhungen von bis zu 2,9 Prozent für angemessen. Nach drei Jahren Nullrunden und Kürzungen bei Weihnachts- und Urlaubsgeld müssten auch die Staatsdiener wieder an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilnehmen, sagte der dbb-Vorsitzende Peter Heesen am Montag in Köln auf der traditionellen gewerkschaftspolitischen Arbeitstagung des dbb.
Die geforderte Besoldungserhöhung orientiert sich am Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst der Länder, der ebenfalls 2,9 Prozent ab Januar 2008 vorsieht. Heesen betonte vor den über 500 Teilnehmern aus Politik und Verwaltung, in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs müsse es "ein Ende mit den Sparmaßnahmen" bei den Beamten haben. Im öffentlichen Dienst seien seit 1990 bereits rund 1,4 Millionen Stellen abgebaut worden.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) als oberster Dienstherr der Beamten ging auf die Forderung des dbb nicht konkret ein. Er räumte auf der Tagung ein, dass der Bund den Beamten "eine Menge an Einschränkungen" zugemutet habe. Doch sei Deutschland mit seinem Konsolidierungskurs noch "nicht am Ende". Die Beschäftigten in Bund, Ländern und Gemeinden müssten weiter mit dazu beitragen, die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten.
Schäuble verwies auf die Dienstrechtsreform für die 130.000 Beamten des Bundes. Mit der Modernisierung des Laufbahnrechts werde künftig die Besoldung stärker von "der Leistung" abhängig gemacht und die Höhe der Besoldung nicht länger an das Dienstalter geknüpft. Außerdem soll es künftig eine dreijährige Probezeit geben. Die Mitnahme von Versorgungsbezügen beim Wechsel von Beamten in die freie Wirtschaft lehnte Schäuble ab - dies sei "nicht finanzierbar".
Heesen erneuerte die Forderung nach einer Aufhebung der unterschiedlichen Besoldung der Beamten in West- und Ostdeutschland bis zum 1. Januar 2008. Bundesregierung und Bundestag müssten im Rahmen der Dienstrechtsreform "dieses Stück Baustelle Deutsche Einheit" schließen. "Attraktive Einkommensbedingungen" für die Beamten seien nicht zuletzt wichtig, um im Konkurrenzkampf mit der Privatwirtschaft bestehen zu können.
Am 08-01-2007
Greenpeace vergleicht Pestizid-Gehalt in Obst und Gemüse der Supermärkte
Ernährung
Die Supermarktketten Kaisers/Tengelmann, Edeka und Rewe verkaufen einem Test von Greenpeace zufolge das am stärksten mit giftigen Pestiziden belastete Obst und Gemüse in Deutschland. In der nach Angaben der Umweltschutzorganisation bisher größten unabhängigen Untersuchung von Obst und Gemüse schnitten die Billigketten Lidl und Aldi dagegen am besten ab. Die Ware der drei Schlusslichter weise drei bis fünf Mal mehr Überschreitungen der Grenzwerte auf. Kaufhof, Real und Billa (Rewe Österreich) landeten im Mittelfeld. Die Ergebnisse des neuen Supermarkt-Rankings veröffentlichte Greenpeace am Mittwoch zusammen mit weiteren Vergleichstests in dem kostenlosen Einkaufs-Ratgeber "Essen ohne Pestizide".
Manfred Krautter von Greenpeace sagte dazu: "Die schlechte Nachricht ist: Im Obst und Gemüse der Supermärkte stecken nach wie vor zu viele Pestizide. Kein Angebot der getesteten Supermärkte war befriedigend. Die gute Nachricht: Weniger Gift im Essen muss nicht teurer sein. Die Discounter Lidl und Aldi haben nach unserem ersten Test im Jahr 2005 viel unternommen, um die Belastung mit Pestiziden zu verringern und hängen jetzt die Konkurrenz ab.“ Die Handelsketten könnten offenbar sehr schnell auf bessere Ware umstellen, wenn sie nur wollten, folgert Krautter. Es lohne sich also, darauf zu achten, wo man einkauft. Uneingeschränkt empfehlenswert sei allerdings nur Bio-Ware.
Pestizide in Lebensmitteln könnten beim Konsumenten Hormonhaushalt und Immunsystem beeinträchtigen, Krebs auslösen oder das Nervensystem schädigen. Ein Viertel der geprüften Ware bewertete Greenpeace wegen zu hoher Spritzmittelgehalte als "nicht empfehlenswert". Bei Lidl waren es 16 Prozent, bei Tengelmann 34 Prozent der Produkte. Bei 12 Prozent der Proben seien sogar die gesetzlichen Höchstmengen erreicht oder Überschritten worden. In zwei Prozent der Proben, vor allem in Trauben und Kopfsalat, steckten so hohe Belastungen, dass ihr Verzehr die Gesundheit von Kleinkindern gefährden könne. Zudem würden häufig Rückstände illegaler Pestizide gefunden, warnte die Organisation.
Greenpeace habe Strafanzeige gegen die Vorstände der Handelsketten erstattet und fordere für die Verantwortlichen die Aberkennung des Gewerberechts. "Das Treiben des Lebensmittelhandels gefährdet die Gesundheit der Verbraucher. Minister Horst Seehofer und die Verbraucherminister der Länder müssen diese Missstände schnellstens beseitigen und die Kontrollen erheblich verbessern", fordert Krautter.
Für den Test hat Greenpeace eigenen Angaben zufolge im vergangenen Herbst 576 Obst- und Gemüseproben bei den führenden Supermarktketten gekauft. Äpfel, Trauben, Pfirsiche/Nektarinen, Mangos/Papayas, Tomaten, Paprikas, Kopfsalate und Rucola aus konventionellem Anbau seien auf 250 Pestizide untersucht worden. Die getesteten Unternehmen deckten über drei Viertel des deutschen Lebensmittelmarktes ab. Lidl sei vom letzten Platz auf den ersten gerückt, nachdem der Umsatz des Konzerns nach dem Greenpeace-Test von 2005 offenbar eingebrochen war.
Am 14-02-2007
Mindestlohn-Pläne in der Kritik
Branchenspezifisch
Die Mindestlohn-Pläne von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) stoßen weiter auf Kritik. Die Union forderte statt neuer Regelungen zunächst die wirksame Anwendung bestehender Vorschriften. Der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) droht im Falle der Einführung eines tariflichen Mindestlohns für die Zeitarbeitsbranche mit dem Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Das Bundesarbeitsministerium wies unterdessen einen Zeitungsbericht zurück, wonach Müntefering einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von fünf Euro plane. Müntefering strebe nach wie vor den branchenspezifischen Mindestlohn auf der Basis von Tarifverhandlungen an, sagte ein Sprecher. Der Linksabgeordnete Werner Dreibus bezeichnete Münteferings Vorschlag als "Subventionsinstrument".
Die große Koalition wolle Anfang März Vorschläge beraten, wie Mindestlöhne "in bestimmten Branchen" umgesetzt werden könnten. Dafür sollten die Bedingungen für deren Aufnahme in das Entsendegesetz geprüft werden. In Frage kämen neben der Zeitarbeit unter anderem auch das Friseurgewerbe, der Einzelhandel und der Bereich Postdienste.
CSU-Sozialexperte Max Straubinger sagte, dass sittenwidrige Löhne bereits heute strafbar seien. "Wir müssen an der Frage der Durchsetzbarkeit arbeiten." Der CSU-Politiker trat zugleich dem Eindruck entgegen, eine Einigung über Mindestlöhne stehe in der Koalition bereits kurz bevor. Vielmehr lehne die Union Mindestlöhne weiter grundsätzlich ab. Müntefering hatte sich in den vergangenen Tagen mehrfach zuversichtlich gezeigt, dass es in der großen Koalition eine rasche Einigung geben werde.
Der AMP-Vorstandsvorsitzende Peter Mumme warnte, dass ein festgesetzter Mindestlohn gegen die Koalitionsfreiheit der Tarifparteien verstoße. Inzwischen würden für nahezu alle Zeitarbeitsbetriebe tarifliche Vereinbarungen gelten, argumentierte er. Daher gebe es keinen Regelungsgrund.
Während der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen eine Aufnahme in das Entsendegesetz unterstützt, lehnt der AMP, der nach eigenen Angaben rund 1000 Mitglieder repräsentiert, dies ab. In der Zeitarbeitsbranche gibt es derzeit mehrere konkurrierende Tarifverträge. AMP befürchtet, dass bei einer Aufnahme der Branche in das Entsendegesetz die Tarifvereinbarung des Verbands mit den christlichen Gewerkschaften ihre Gültigkeit verliert.
Der gewerkschaftliche Sprecher der Linksfraktion Dreibus sagte, die Crux von Münteferings Vorschlag sei "die Subvention der Unternehmen". Gerade für die Entwicklung niedriger Einkommen seien Lohnsubventionen Gift. Das könne man deutlich in Frankreich sehen. "Dort beziehen rund 17 Prozent aller Beschäftigten den gesetzlichen Mindestlohn, so viele wie in keinem anderen Land der EU. Schuld daran sind staatliche Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen. Sie machen es für Unternehmen attraktiv, nicht mehr als den Mindestlohn zu zahlen, weil sie so das meiste Geld vom Staat bekommen." Mit Münteferings Vorschlag würden niedrige Löhne zementiert, fürchtet Dreibus. Damit würde den Beschäftigten "ein Bärendienst" erwiesen.
Die Höhe des von Müntefering vorgeschlagen Mindestlohns sei "inakzeptabel". Nehme man etwa die Pfändungsfreigrenze von derzeit rund 1000 Euro zum Maßstab, müsste der Mindestlohn bei rund 8 Euro brutto die Stunde liegen, so Dreibus. "Alles andere wäre eine Verhöhnung der Menschen, die trotz Arbeit in Armut leben."
Zudem wäre "ein solcher flächendeckende Kombilohn – der eigentlich Kombigewinn heißen müsste, weil die Unternehmen und nicht die Beschäftigten von der staatlichen Subvention profitieren – eine Abkehr vom Prinzip Existenz sichernder Löhne: Die Unternehmen würden aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entlassen." Im Gegenzug würden die Beschäftigten über ihre Steuern den Gewinn der Unternehmen steigern. "Das wäre grotesk", meint Dreibus.
Der frühere US-Präsident Franklin D. Roosevelt habe einmal gesagt: "Unternehmen, deren Existenz lediglich davon abhängt, ihren Beschäftigten weniger als einen zum Leben ausreichenden Lohn zu zahlen, sollen in diesem Land kein Recht mehr haben, weiter ihre Geschäfte zu betreiben." Das sollte, so Dreibus, auch für Deutschland gelten.
Bereits heute würden über drei Millionen Arbeitsplätze vom Staat bezuschusst: Mini- und Midi-Jobs und ALG II-Aufstocker. Das habe "wesentlich zur Vernichtung regulärer Arbeitsplätze, zu Finanzierungsproblemen der Sozialversicherungen und zur Verunsicherung und Verarmung von Beschäftigten" beigetragen. Ein weiteres "Subventionsinstrument" würde diese Entwicklungen noch verstärken. "Richtig wäre das Gegenteil: Schluss mit sozialversicherungsfreier oder bezuschusster Beschäftigung."
Am 21-02-2007
Ringen um Mindestlöhne unbekannter Höhe
Linke treibt SPD und Union
Im Koalitions-Streit um die Einführung von Mindestlöhnen hat sich am Mittwoch keine rasche Einigung abgezeichnet. Politiker der Union wiesen vor einer Spitzenrunde im Kanzleramt zentrale Forderungen der SPD zurück. Die gesamte Linksfraktion unterstützt die SPD-Aktion "Politik für gute Arbeit – Deutschland braucht Mindestlöhne". Oskar Lafontaine und Gregor Gysi haben dem SPD-Vorsitzenden am 28. März die entsprechenden Unterschriftenlisten zugesendet. Die beiden Fraktionsvorsitzenden sowie Klaus Ernst und Lothar Bisky hatten als Erstunterzeichner den Aufruf der SPD zur Einführung von Mindestlöhnen unterschrieben. Die Fraktion hat den Text in einem eigenen Antrag aufgenommen und will ihn in den Bundestag einbringen. "Die SPD-Forderungen sind unsere Forderungen seit 2005", sagte Gysi, unter Anspielung darauf, dass die Linksfraktion das Thema damals auf den Tisch brachte, die SPD bisher allerdings die Anträge der Linksfraktion stets abgelehnt hat.
In dem Antrag der Linksfraktion heißt es, Deutschland sei – gemessen an der gesamtwirtschaftlichen Leistung – so reich wie nie zuvor. Trotzdem arbeiteten viele Menschen den ganzen Tag, ohne sich und ihre Familien vom erarbeiteten Lohn ernähren zu können. "Armutslöhne sind ungerecht und unsozial. Sie missachten die Leistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das ist ein Skandal. Wer voll arbeitet, muss davon leben können."
Großbritannien, die Niederlande, Belgien – die meisten europäischen Nachbarn und selbst die USA praktizierten Mindestlöhne mit Erfolg, meint die Linksfraktion. Auch in Deutschland sei es höchste Zeit, gerechte Löhne, gute Arbeit, soziale Sicherheit und Mindestlöhne zu garantieren. "Menschen, die einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen, müssen von ihrer Arbeit auch menschenwürdig leben können", fordert die Fraktion.
Mehr als 2,5 Millionen Vollzeitbeschäftigte arbeiteten in Deutschland "für Armutslöhne, die weniger als 50 Prozent des Durchschnittslohns betragen". Die Einkommensschere gehe weiter auseinander. "Während Spitzengehälter zunehmen, stagnieren die Löhne für viele Beschäftigte."
Die Tarifbindung nehme weiter ab. Nur 68 Prozent der Beschäftigten in Westdeutschland und 53 Prozent in Ostdeutschland erhalten nach Angaben der Linksfraktion tariflich vereinbarte Löhne. Armutslöhne gebe es allerdings nicht nur bei tarifungebundenen Arbeitgebern. "Auch viele Tariflöhne liegen zwischen drei und vier Euro", heißt es in dem Bundestagsantrag.
Dabei seien "Niedriglöhne" nicht allein die Folge zu geringer Qualifikationen. Schließlich würden 60 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Nach Auffassung der Linksfraktion ist die Aufstiegsmobilität in besser bezahlte Jobs vielfach eine Illusion. "Niedriglöhne sind kein Einstieg in eine bessere Zukunft, sondern bedeuten meist Verharren in Armut."
Die Bundesregierung wird in dem Bundestagsantrag daher aufgefordert, tarifvertragliche Lösungen für Mindestlöhne zu fördern und dazu das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf alle Wirtschaftsbereiche auszuweiten. "Für Branchen, in denen tarifliche Lösungen nicht greifen oder Tariflöhne ein Mindestniveau unterschreiten", solle ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden, der sich in seiner Höhe am Niveau vergleichbarer europäischer Länder orientiere.
Ramsauer: "Ausreißer" in den Tarifverträgen mit Stundenlöhnen unter vier Euro
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte, bisher habe "Müntefering - er ist als Bundesarbeitsminister dafür zuständig - in keiner einzigen Branche den Nachweis führen können, dass wir soziale Verwerfungen haben. Wenn er den Nachweis führen kann, sind wir offen für weitere branchenspezifische Löhne." Pofalla lehnt einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn angeblich ab.
CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte, die Union sei zu einem Kompromiss bereit. Ziel müsse es sein, die "Ausreißer" in den Tarifverträgen mit Stundenlöhnen unter vier Euro "zu beseitigen". Raumsauer kündigte jedoch zugleich an: "Gesetzliche Mindestlöhne wird es nicht geben." Daher erwarte er beim Spitzentreffen der Koalition am Mittwochabend keinen Durchbruch.
Auch SPD-Fraktionsgeschäftsführer Olaf Scholz rechnete nicht mit nennenswerten Fortschritten. Er glaube aber, dass sich die Koalition "auf der Zielgeraden" befinde und bis Ende April eine Einigung erzielen werde.
Scholz untermauerte die SPD-Forderungen nach einer Ausweitung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen nach dem Vorbild der Baubranche sowie nach einer "Entgeltschranke" nach unten, einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Die Diskussion werde für seine Partei nach dem angestrebten Koalitions-Kompromiss nicht zu Ende sein. In der Folgezeit werde sich die SPD vielmehr bemühen, den "zweiten Teil der Strecke" durchzusetzen.
Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) sagte, er wolle "sittenwidrige Löhne verbieten". Ferner wolle er "einen Lohnsockel, der nicht unterschritten werden darf, damit nicht der Staat ergänzend indirekt Löhne zahlen muss". Außerdem wolle er erreichen, dass alle Branchen ins Entsendegesetz aufgenommen werden können "und sie so die Chance auf tarifliche, allgemeinverbindliche Mindestlöhne bekommen".
Auf die Frage, ob er hierfür die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe, sagte Müntefering: "Alle haben erkannt, dass wir verhindern müssen, dass Löhne künstlich niedrig gehalten werden und der Staat aus der Steuerkasse indirekt Löhne zahlt."
Am 28-03-2007