"Internationale Untersuchungen gehen davon aus, dass 20 bis 25 Prozent aller Flüchtlinge, die in Europa Zuflucht suchen, Opfer von Folter sind. Diese Tatsache wird bei Asylverfahren in Deutschland nicht hinreichend berücksichtigt," erklärt ai-Flüchtlingsexperte Wolfgang Grenz.
Häufig schwiegen Flüchtlinge, die in ihrem Heimatland gefoltert wurden, aus Scham über ihre Erlebnisse. Die Mitarbeiter des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge seien ihrerseits nicht ausreichend geschult, um zu erkennen, wenn ein Flüchtling auf Grund seines Traumas nicht in der Lage ist, die Geschichte seiner Verfolgung schlüssig darzulegen. Später eingereichte medizinische oder psychologische Gutachten würden in vielen Fällen nicht angemessen berücksichtigt. So seien im vergangenen Jahr Fachgutachten zu posttraumatischen Belastungen bei Asylbewerbern vom polizeipsychologischen Dienst regelmäßig ohne fachliche Auseinandersetzung zurückgewiesen worden.
Aber selbst wenn Asylbewerber angäben, in ihrem Heimatland gefoltert worden zu sein, reagierten Anhörer des Bundesamtes in einer Reihe von Fällen nicht angemessen. So sei der Antrag einer kurdisch-türkischen Asylbewerberin als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden, obwohl sie von Folterungen auf einer Polizeistation berichtet hatte. Der Anhörer habe jedoch nicht nachgefragt. Ohne weitere Ermittlungen habe er den Vortrag der Frau als unglaubwürdig eingestuft.
Hilfe fänden Folteropfer in speziellen Therapiezentren, die sie medizinisch und psychologisch betreuen. Um eine effektive Behandlung gewährleisten zu können, brauchten sie neben medizinischen und psychologischen Kapazitäten jedoch auch juristisch und sozialpädagogisch ausgebildete Mitarbeiter. Solche Zentren gebe es bislang noch nicht in jedem Bundesland. Die bestehenden Zentren hätten lange Wartelisten, kritisierte anmesty. Auch die finanzielle Sicherung der Rehabilitationszentren sei häufig nicht ausreichend. "Viele bangen von Jahr zu Jahr um ihre Existenz und damit auch um die Fortsetzung ihrer Arbeit mit Folteropfern," betont Elise Bittenbinder von der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAFF).
Nach Ansicht amnesty international seien deshalb eine intensivere Schulung der Mitarbeiter des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge für den Umgang mit Folteropfern und eine Unterbrechung des Asylverfahrens bei Anzeichen für erlittene Folterungen nötig. Erst nach Abschluss einer Behandlung des Opfers solle das Verfahren fortgesetzt werden. Ferner fordert die Organisation eine stärkere finanzielle Förderung von Behandlungszentren für Folteropfer. Ziel müsse es sein, dass in jedem Bundesland mindestens ein Behandlungszentrum vorhanden ist, das über medizinische, psychologische, juristische und sozialpädagogische Kapazitäten verfügt.
Außerdem soll die Bundesregierung die Erklärung nach Artikel 22 der UN-Antifolter-Konvention abgeben. Artikel 22 ermöglicht dem Einzelnen, bei drohender Abschiebung den Antifolter-Ausschuss in Genf anzurufen, wenn sie im Falle der Abschiebung von Folter bedroht sind.