DIE Internet-Zeitung
Gedenken

Thierse erinnert an Kriegsbeginn gegen Sowjetunion vor 60 Jahren

Am

Der Bundestag gedachte am Freitag der Opfer des vor 60 Jahren von Deutschland begonnenen Krieges gegen die Sowjetunion. Deutsche Truppen hätten Wunden geschlagen, die heute noch nachwirkten, sagte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) zu Beginn des Sitzungstages. "Wir empfinden Trauer für das Leid, das den Menschen der Sowjetunion im deutschen Namen angetan wurde", sagte Thierse.


Der Bundestagspräsident gedachte auch der Hinterbliebenen und Familien aller Kriegsopfer sowie der Opfer nationalsozialistischer Herrschaft. Die Erinnerung an das Leid müsse wachgehalten werden, "damit Vergleichbares nie wieder von deutschem Boden ausgehen kann".

Der Partei- und Fraktionsvorstand der PDS wies in einer Pressemitteilung darauf hin, dass im Hinterland der Kriegsfront deutsche "Mörderbanden wüteten". Die Kassen der Kriegswirtschaft seien durch Raub, Plünderung und Verschleppung von Millionen von Menschen gefüllt worden. Zur Befreiung Europas und des deutschen Volkes durch die Anti-Hitler-Koalition habe die Sowjetunion den Hauptbeitrag geleistet.

Die PDS bemängelt, dass es der deutsche Widerstand "gegen die Nazi-Barbarei - getragen auf unterschiedliche Weise von Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen, Konservativen und Wehrmachtsangehörigen - den Zehntausende mit dem Leben bezahlten", nicht stark genug gewesen sei, Deutschland vom faschistischen Terror zu befreien. "Diese historischen Hypotheken - der Sieg des Faschismus 1933 und die fehlende Kraft zur Selbstbefreiung - sind aus der deutschen Geschichte nicht zu löschen." Für die Zukunft müsse gelten, dass von deutschem Boden "Frieden - und nur Frieden! - ausgehen" müsse.

Kinderleiche gefunden - Spur in Russland Sackgasse

Vermisstenfälle Julia und Adelina

Im Fall der vermissten Mädchen Julia und Adelina schwinden die Hoffnungen. Die seit Freitag vermisste achtjährige Julia aus Hessen ist offenbar einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen. In einem Waldstück im hessischen Niddatal (Wetteraukreis) - 40 Kilometer von Gießen entfernt - wurde in der Nacht zu Mittwoch die verbrannte Leiche eines sieben- bis neunjährigen Mädchens entdeckt. Ob die Tote die verschwundene Julia ist, soll bis Donnerstagvormittag eine DNA-Analyse klären. Unterdessen wurde im Fall der zehnjährigen Adelina aus Bremen der leibliche Vater in einem Dorf an der russisch-chinesischen Grenze aufgespürt und vernommen. Nach Angaben von russischen Behörden soll er glaubhaft versichert haben, noch nie in Deutschland gewesen zu sein. Es hatte Mutmaßungen gegeben, der Vater könnte seine Tochter entführt haben.

Im Fall Julia hatte ein Radfahrer in der Nacht zum Montag im Wald bei Niddatal ein Feuer entdeckt. Bei den Löscharbeiten fanden die Einsatzkräfte den Körper eines Mädchens in einem brennenden Holzstapel. Das Institut für Rechtsmedizin an der Universität Gießen stellte schwere Kopfverletzungen fest. Beim Anstecken des Holzstapels seien vermutlich größere Mengen Brandbeschleuniger wie Benzin benutzt worden. Der Täter habe sich dabei "mit hoher Wahrscheinlichkeit" Brandverletzungen zugezogen. Möglicherweise seien auch Kopfhaare in Mitleidenschaft gezogen worden.

Am 04-07-2001

Medien immer stärker in staatlicher Abhändigkeit

Russland

Die russischen Medien geraten immer mehr in die Abhängigkeit des Staates. Diese Auffassung vertraten die Teilnehmer einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) über Putins Präsidentschaft. "Journalismus ist das zweitälteste Gewerbe der Welt. In Russland hat es sogar die Stelle des ältesten eingenommen", veranschaulichte Wachtang Tschkuasseli, Direktor des Instituts für Krisenforschung in Moskau, seine Meinung über Journalismus in Russland. "Es ist nicht gut, dass der Fernsehsender NTV nun unter staatlicher Kontrolle ist. Mit Gussinski als Besitzer und Medienmagnat war NTV zwar nicht unabhängig, aber die Berichterstattung war wenigstens alternativ", sagte Petr Fedossow, außenpolitischer Berater des Vorsitzenden des Föderationsrates Jegor Strojew. In Russland gebe es keine unterschiedlichen Einflussgruppen wie in Deutschland, die auf Journalisten einwirkten. Besonders in der Provinz seien Berichterstatter oft nur einem Einfluss ausgesetzt, und das sei meist der Gouverneur, so Fedossow.

Anfang April hatte der halbstaatliche russische Konzern Gazprom die Kontrolle beim unabhängigen Fernsehsender NTV des Media-MOST-Konzerns übernommen. Media Most gehört dem Unternehmer Wladimir Gussinski. Gazprom besitzt auch 52 Prozent der Anteile an dem Media-Most-Rundfunksender Moskauer Echo. Die Verhandlungen über die Abtretung von 9,5 Prozent der Gazprom-Anteile an die Redaktion des bisher unabhängigen Senders seien gescheitert, teilte der Direktor von Gazprom-Media, Alfred Koch, laut der Nachrichtenagentur Interfax am Mittwoch in Moskau mit.

Gussinski werfen die russischen Behörden Unterschlagung in Millionenhöhe vor. Kritiker sehen hinter den Ermittlungen eine Kampagne zur Einschüchterung kritischer Medien. Besonders die kritische NTV-Berichterstattung über den Tschetschenien-Krieg hatte der Kreml nicht gern gesehen.

Am 12-07-2001

Riesige Flächen in Sibirien ölverseucht

Greenpeace: TotalFinaElf soll handeln

In Westsibirien sind 700.000 bis 840.000 Hektar Land - rund die dreifache Fläche des Saarlandes - ölverseucht. Durch Ölförderung und -transport sowie zahlreiche Ölunfälle werden auch das Oberflächen- und das Grundwasser sowie die Luft massiv verschmutzt. Dies sind die Haupterkenntnisse eines Reports des niederländischen Beratungsbüros IWACO, den Greenpeace-Mitarbeiter aus Russland, Deutschland und den Niederlanden heute in Moskau vorstellen. Die normalerweise für die Ölindustrie tätige Consulting-Firma hat die Studie in rund einem Jahr im Auftrag von Greenpeace erstellt. Allein im Samotlor-Ölfeld in Westsibirien, einem der größten Ölfördergebiete Sibiriens, sind dem Bericht zufolge 6.500 Hektar Land schwer ölverschmutzt. Die Bewohner der Region um die Stadt Nishnewartowsk im Zentrum des Ölfeldes sind erheblichen Gesundheitsrisiken durch verschmutztes Trinkwasser und verunreinigte Luft ausgesetzt. 97 Prozent des Trinkwassers aus dem Fluss Vakh beispielsweise waren in den letzten fünf Jahren über die russischen Grenzwerte hinaus ölverseucht. Etwa 50 Prozent der befischten Flüsse in der Region sind ölverschmutzt. Hauptursache für die Verunreinigungen sind zahlreiche Ölaustritte und Unfälle an Pipelines und Förderanlagen, die Freisetzung von Bohrabfällen, leckende Lagertanks und Mülldeponien sowie das Abfackeln von Gas und Öl. Die Weltbank klassifizierte das Samotlor-Ölfeld, in dem seit 40 Jahren Öl gefördert wird, im vergangenen Jahr als "ökologische Katastrophenzone".

"Die internationalen Ölfirmen, die ihr Öl aus Russland beziehen, müssen gemeinsam mit ihren russischen Partnern dieses ökologische Desaster stoppen", so Jörg Feddern von Greenpeace Deutschland. "Die verschmutzen Gebiete müssen nicht nur umgehend gereinigt werden. Zusätzlich muss großflächig eine satellitengestützte Fernüberwachung installiert werden, um eine umfassende Übersicht über weitere ölverseuchte Gebiete zu erhalten."

Das französische Unternehmen TotalFinaElf ist laut Greenpeace einer der Hauptimporteure von Rohöl aus Westsibirien. Das Öl des Konzerns werde in Raffinerien in Leuna (Sachsen-Anhalt) und Schwedt (Brandenburg) verarbeitet. Die Raffinerien bezögen aus Westsibirien über die Druschba-Pipeline ("Pipeline der Freundschaft") jährlich zwischen 18 und 20 Millionen Tonnen Öl.

Bisher zeige sich TotalFinaElf zwar besorgt über die Lage in Russland, lehne aber jegliche Verantwortung ab. Die Hauptgeschäftspartner von TotalFinaElf im Samotlor-Feld sind die russischen Unternehmen TNK (Tyumen Oil Company) und Yukos. "TotalFinaElf muss endlich Verantwortung für die Herkunft seines Öls übernehmen und umgehend Geld für Sanierungsprojekte in den russischen Fördergebieten bereit stellen", fordert Jörg Feddern.

Am 06-08-2001

Brutales Vorgehen Russlands gegen tschetschenische Zivilisten bleibt ohne Folgen

"Gefängnis unter freiem Himmel"

Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" kritisiert, dass der Europarat die russische Regierung am vergangenen Mittwoch trotz täglicher, massiver Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien durch das russische Militär nicht verurteilt hat. Damit stelle sich der Europarat an die Seite eines Staates, der in Kriegszeiten die Menschenrechte mit Füßen trete. In einem am Freitag veröffentlichen Augenzeugenbericht zeigt die Organisation den täglichen Terror auf, dem viele Tschetschenen in ihrem Land ausgesetzt sind. Vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates erklärte der Präsident der französischen Sektion von Ärzte ohne Grenzen, Jean-Hervé Bradol, dass Tschetschenien einem "Gefängnis unter freiem Himmel" gleiche, in dem Willkür und Gewalt herrschen. Dies führt laut Bradol dazu, dass der Strom der Vertriebenen nach Inguschetien nicht abreißt. Dort leben die Menschen aber unter inakzeptablen Bedingungen, wie der heute vorgelegte Bericht zeigt.

Bis zu 1.200 Tschetschenen fliehen nach Informationen der Ärzteorganisation wöchentlich nach Inguschetien, wo sie unter mittlerweile katastrophalen Bedingungen leben müssten. Einer Untersuchung von Ärzte ohne Grenzen zufolge ist die Situation vor allem für die etwa 60.000 Menschen unerträglich, die in Sammelunterkünften Zuflucht gefunden haben. Die Gebäude seien teilweise verfallen, die Zelte undicht, die sanitären Einrichtungen mangelhaft und die Heizmöglichkeiten für viele unzureichend. Darüber hinaus sei die offizielle Registrierung von Neuankömmlingen im Frühjahr letzten Jahres von den russischen Behörden eingestellt worden. Damit hätten die schätzungsweise bis zu 50.000 Neuankömmlinge kein Anrecht auf staatliche Unterstützung.

Der jetzt veröffentlichte Augenzeugenbericht sowie die Untersuchung über die Lebensbedingungen der Vertriebenen in Inguschetien belegen nach Ansicht der Ärzteorganisation, dass die verantwortlichen Behörden die Strategie verfolgen, die Menschen zurück nach Tschetschenien zu treiben, indem ihnen Hilfe in Inguschetien verweigert wird. Ärzte ohne Grenzen kritisiert, dass die internationale Gemeinschaft diese Strategie mit hartnäckigem Schweigen begleitet.

Am 25-01-2002

Besuch des russischen Präsidenten beendet

Russland

Nach einem Jahrzehnt ist der Streit zwischen Deutschland und Russland um Altschulden aus Zeiten der Sowjetunion beigelegt. Russland erklärte sich zur Zahlung von 500 Millionen Euro bereit, teilten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Russlands Präsident Wladimir Putin zum Abschluss der deutsch-russischen Konsultationen in Weimar mit. Eine erste Tranche von 350 Millionen Euro wird noch in diesem Jahr beglichen, der Rest in zwei Jahresraten zu je 75 Millionen Euro. Bei den Altschulden geht es um Verpflichtungen der ehemaligen Sowjetunion gegenüber der DDR in Höhe von 6,4 Milliarden Transferrubel. Zwar hatte Russland die Schulden grundsätzlich anerkannt, jedoch waren sich beide Seiten uneins über den heutigen Wert der Verpflichtungen. Mit der Zahlung von 500 Millionen Euro sei dieses Kapitel abgeschlossen, sagte Schröder.

Putin forderte dazu auf, den Blick nun in die Zukunft zu richten. Basis der Zusammenarbeit müsse die Wirtschaft sein. Man müsse sie auf eine erweiterte Grundlage stellen, sagte der Präsident mit Blick auf acht zuvor abgeschlossene Wirtschaftsvereinbarungen zwischen deutschen und russischen Unternehmen. Diese Abkommen konzentrieren sich auf die Industrie und haben ein Gesamtvolumen von 1,5 Milliarden Euro. Putin plädierte dafür, die wirtschaftliche Zusammenarbeit auch auf die Bereiche Informatik, Raketenbau und Raumfahrt auszuweiten.

Zum Verhältnis Russlands zur NATO sagte Schröder, innerhalb der Gruppe der 20 müsse es zu substanziellen Verbesserungen des Verhältnisses zwischen der NATO und Russland kommen. Dabei gehe es nicht nur um Konsultationsrechte für Russland, sondern auch um Entscheidungsrechte, fügte Schröder hinzu.

Bei der Beurteilung der Lage im Nahen Osten und der Bekämpfung des internationalen Terrorismus habe es "ein großes Maß an Übereinstimmung" gegeben, betonten Schröder und Putin. Allerdings sei nicht über einen Einsatz deutscher Friedenstruppen gesprochen worden, sagte Schröder. In dieser Hinsicht sei er "überinterpretiert" worden. Gleichwohl lasse sich der Nahost-Konflikt wohl nur von außen lösen. Über Einzelheiten sei aber noch zu reden.

In dem jahrelangen Streit um Beutekunst gibt es unterdessen eine vorsichtige Annäherung. In der schwierigen Frage sei auf beiden Seiten neues Vertrauen entstanden, sagte der russische Kulturminister Michail Schwydkoj. Was auf gesetzlicher Grundlage aus heute russischem Besitz zurückgegeben werden könne, solle wieder nach Deutschland überführt werden. Im Gegenzug solle Deutschland die Rückgabe von geraubten Kulturgütern aus vormals russischem Besitz prüfen.

Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin erklärte, die Frage der Beutekunst werde inzwischen in einem größeren Kontext der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen beiden Ländern betrachtet. Es sei ein Fehler gewesen, dieses Problem bislang stets losgelöst zu behandeln.

Am 10-04-2002

Bush beschwört neues Zeitalter

Der Repräsentant

Eine Weiterentwicklung der NATO und ein neues Verhältnis zu Russland sind für US-Präsident George W. Bush Eckpfeiler der künftigen internationalen Entwicklung. Durch die Ereignisse des 11. September und den gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terrorismus sei ein "neues Zeitalter" angebrochen, sagte Bush in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag. In seiner 30-minütigen Ansprache erneuerte der Präsident seine Warnung vor der "Achse des Bösen" und fügte hinzu, dass den Herausforderungen militärisch, ökonomisch und entwicklungspolitisch begegnet werden müsse. In ersten Reaktionen begrüßten Vertreter von Bundesregierung, Koalition sowie CDU/CSU-Opposition die Rede. So sprach Bundeskanzler Gerhard Schröder von einer "historischen" Dimension, die die Äußerungen des US-Präsidenten zum neuen Verhältnis zwischen Russland und dem Westen erkennen ließen. Bush hatte betont, viele Generationen hätten Moskau als Feind angesehen, jetzt umarme man sich "als Freunde". Bush sagte wörtlich: "Russland und der Westen sind keine Feinde mehr." Auch Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber wertete Bushs Ansprache als "historisch". Der US-Präsident habe deutlich den Vorwurf zurückgewiesen, dass Amerika zu Alleingängen neige. Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Peter Struck.

Bush, der die gewachsene Rolle Europas hervorhob, forderte zugleich die europäischen Nationen zu größeren Anstrengungen beim Aufbau neuer militärischer Fähigkeiten auf. Die NATO brauche solche Fähigkeiten, die weit von Europa einzusetzen seien. Dazu zählten Fähigkeiten zur schnellen Krisenreaktion und gegen biologische sowie chemische Waffen, sagte er. Denn gegen diese "Bedrohung aus einem anderen Zeitalter" müssten die USA und Europa zusammen vorgehen.

Ausdrücklich bekräftigte Bush das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat und den Zwang zur Konfliktlösung im Nahen Osten. Ferner müsse der Kampf mit einer Öffnung der Märkte der Industrieländer einhergehen. Bush betonte: "Wir müssen den Wohlstand großzügig und klug verteilen."

Am 23-05-2002

Algerien, Russland, Kolumbien, Balkan und Türkei am gefährlichsten

389 Journalisten in zehn Jahren getötet

In den Jahren von 1992 bis 2001 sind weltweit 389 Journalisten bei und wegen der Ausübung ihres Berufes getötet worden. Die überwiegende Mehrheit der getöteten Reporter, nämlich 298 oder 77 Prozent, wurden wegen ihrer Berichterstattung ermordet. Ein deutlich geringerer Teil, 62 Journalisten, starb im Zuge von Kampfhandlungen, in die sie bei ihrer Tätigkeit gerieten. Das geht aus einer aktuellen Studie des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) hervor. Weiteres trauriges Detail der Analyse ist, dass die internationale Organisation nur 20 Fälle registriert hat, bei denen die Mörder oder die Auftraggeber der Morde auch zur Verantwortung gezogen wurden. In 94 Prozent aller Fälle hatte der Mord an Journalisten für die Täter also keinerlei Folgen. "In vielen Ländern arbeiten Journalisten ohne Schutz durch den Gesetzgeber", sagte Ann Cooper, Geschäftsführerin von CPJ. "Aus diesem Grund werden sie ermordet." Die Aufgabe der Journalistenorganisation sei es, an die Opfer zu erinnern und Gerechtigkeit einzufordern. Das blutigste Jahr der vergangenen Dekade war 1994. Damals wurden 66 Journalisten vor allem in den Ländern Algerien, Ruanda und Bosnien getötet. 2001 starben 37 Reporter bei der Ausübung ihrer Tätigkeit, neun davon in Afghanistan. Die gefährlichsten Staaten und Gebiete für Journalisten waren in den letzten zehn Jahren Algerien, Russland, Kolumbien, der Balkan und die Türkei.

49 Todesopfer waren Radioreporter. Die Mehrheit von ihnen war für Lokalsender tätig, die kaum öffentliche Aufmerksamkeit über ihre Region hinaus haben. Elf der 49 getöteten Radioreporter arbeiteten in Kolumbien. 50 getötete Journalisten waren als Kameramänner oder Fotografen tätig. Sie wurden mehrheitlich bei Kampfhandlungen getötet, über die sie berichteten. Sie starben in Gebieten wie Somalia, Georgien, Bosnien und Russland.

Die vergleichende Studie des CPJ listet nur "bestätigte" Fälle auf. Wenn Zweifel an der Ursache und den Motiven eines Todesfalles bestehen, werden diese Opfer nicht angeführt. Auch Unfallopfer wurden nicht berücksichtigt, außer der "Unfall" (z.B. Flugzeugabsturz, Autounfall) ist eindeutig auf Kriegshandlungen zurückzuführen. Die Details der Studie sind auf der Homepage des CPJ erhältlich.

Am 05-06-2002

Russland braucht "Kultur der Menschenrechte"

Frankfurter Buchmesse

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz anlässlich der Frankfurter Buchmesse haben amnesty international (ai) und Reporter ohne Grenzen (RoG) am Mittwoch den russischen Präsidenten Putin aufgefordert, in seinem Land endlich für eine Kultur der Menschenrechte zu sorgen. "Die russischen Bürger müssen an eine gerechtere Zukunft glauben können. Dazu gehört, dass Menschen vor Folter, unfairen Gerichtsverfahren, der Todesstrafe, ungesetzlichen Tötungen, willkürlichen Inhaftierungen und Diskriminierungen geschützt werden und dass im Fall von Rechtsverletzungen die dafür zuständigen Institutionen ihre Aufgaben zuverlässig erfüllen.", betonten ai und RoG. Täter müssten zur Rechenschaft gezogen werden und Opfer Entschädigung erhalten und rehabilitiert werden. Medien müssten überall in Russland frei und ungehindert arbeiten können, auch in Tschetschenien.

Peter Franck, der ai-Russlandexperte sagte: "Nicht die Wahlen in Tschetschenien - von russischen Menschenrechtsgruppen als Farce bezeichnet, die nicht einmal mehr von der OSZE beobachtet wurden - werden den Menschenrechtsschutz in Tschetschenien voranbringen, sondern ein Ende der Straflosigkeit. Solange die Bürgerinnen und Bürger Tschetscheniens nicht darauf vertrauen können, dass Vergewaltigung, Folter, "Verschwindenlassen" und Mord begangen von russischen Sicherheitskräften wirksam Einhalt geboten wird, wird es kein Vertrauen in eine gerechtere Zukunft geben. Die bewaffneten Gruppen, selbst für schlimme Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, werden weiteren Zulauf erhalten".

"Von einer demokratischen Regierung erwarten wir eine offene Informationspolitik, die Meinungsvielfalt und unabhängige Berichterstattung zulässt. Was wir aber in Russland sehen, ist eine Politik, die die Instrumentalisierung der Medien und die Beschränkung der Informationsmöglichkeiten verfolgt", ergänzte Jürgen Döschner von RoG.

Insbesondere vor den im Dezember anstehenden Parlamentswahlen und der Anfang 2004 angesetzten Präsidentschaftswahlen befürchten ai und RoG weitere Einschränkungen in der politischen Berichterstattung. "Die Kluft, die es in Russland zwischen Recht und Realität gibt, muss überwunden werden. Nur wenn Journalisten und alle anderen Bevölkerungsgruppen Schutz und Sicherheit im eigenen Land erfahren, kann in Russland eine Kultur der Menschenrechte entstehen. Menschenrechte gehören daher nicht nur auf die Agenda des deutsch-russischen Kulturdialogs, Deutschland und die anderen EU-Staaten haben auch auf dem EU-Russlandgipfel im November erneut die Gelegenheit, ein klares Wort zur Menschenrechtslage in Russland zu sprechen", sagten ai und RoG.

Am 08-10-2003

Erstes Zentrum für Deutschland- und Europastudien in Russland

St. Petersburg

Das weltweit fünfzehnte Zentrum für Deutschland- und Europastudien (ZDES) wird am 26. April im "Petersaal" der Universität St. Petersburg von DAAD-Generalsekretär Dr. Christian Bode, dem Leiter der Abteilung Kultur und Bildung des Auswärtigen Amtes, Ministerialdirektor Wilfried Grolig, und den Rektoren der beteiligten Partneruniversitäten, Professorin Ludmilla Werbitskaja (Universität St. Petersburg) und Professor Dieter Timmermann (Universität Bielefeld), eröffnet. Initiiert wurde das ZDES im Rahmen des Petersburger Dialogs zwischen Deutschland und Russland. Unter dem Motto "Deutschland in Europa" will das Zentrum jungen Multiplikatoren ein zeitgemäßes Wissen über Deutschland und Europa vermitteln. Aufbauend auf einer zehnjährigen Kooperation zwischen den Fakultäten für Soziologie der Universitäten Bielefeld und St. Petersburg konzentriert sich das ZDES auf die Sozial- und Kulturwissenschaften.

Kern des Ausbildungsprogramms ist der zweijährige Master-Studiengang "Studies in European Societies", der von deutschen und russischen Lehrkräften getragen und im September starten wird. Ein Daten- und Informationspool zu Themen, Personen, Projekten und Programmen der Deutschland- und Europastudien sowie eine Fachbibliothek befinden sich im Aufbau. Der DAAD gewährleistet für einen Zeitraum von zunächst fünf Jahren die notwendige Anschubfinanzierung des ZDES.

Zur Eröffnung des Zentrums findet eine Podiumsdiskussion zum Thema "Europäische Gesellschaft oder Europäische Gesellschaften? - Russische und deutsche Perspektiven" statt, an der zwei Nestoren der deutschen Politikwissenschaft und Soziologie, Prof. M. Rainer Lepsius und Prof. Klaus von Beyme, sowie die anerkannten Historiker und Kulturwissenschaftler Prof. Boris Ananitsch und Dr. Ivan Czeczot aus St. Petersburg teilnehmen werden.

Am 19-04-2004

Aktionen gegen Urantransport im Münsterland geplant

Atommüll soll nach Russland

Auf dem Gelände der Uran-anreicherungs-anlage (UAA) in Gronau soll laut dem Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen (Aktionsbündnis Münsterland) zur Zeit ein weiterer Transport von abgereichertem Uranhexafluorid (UF6) nach Russland vorbereitet werden. Ab Montagnachmittag soll es eine öffentliche Dauermahnwache vor dem Haupttor der Urananreicherungsanlage Gronau geben, um vor Ort gegen die Abfahrt des Atommülls zu protestieren. Unter dem Motto "Stoppt den Atommülltourismus!!" soll die Abfahrt des Atomzuges verhindert werden. Am Abend würde dann in der Nähe der UAA ein Widerstandscamp aufgebaut werden. "Die Erweiterung der UAA ist das genaue Gegenteil von einem Atomausstieg", stellen die Bürgerinitiativen fest. Sie fordern deshalb einen Stopp des Ausbaus und die Schließung der Anlage in Gronau. Die Lieferung von abgereichertem Uran (DU, depleted uranium) soll nach Russland erfolgen, da die Anreicherung preiswerter sein soll. Gleichzeitig aber entledige sich die UAA auf diese Weise des anfallenden abgereicherten Urans, das sonst dauerhaft gelagert oder anders verwertet werden müsste, so das Aktionsbündnis Münsterland.

Diese Großtransporte nach Russland fänden zur Zeit etwa alle zwei bis drei Monate statt. Die Atomanlage in Gronau solle noch im Sommer eine Ausbaugenehmigung durch die NRW-Landesregierung erhalten, die eine Vergrößerung der Anlage auf das zweieinhalbfache der jetzigen Größe ermögliche. Nach diesem Ausbau könne die Atomfabrik in Gronau laut Aktionsbündnis Münsterland etwa 35 AKWs weltweit mit Brennstoff versorgen. Dementsprechend sei auch mit einer deutlichen Zunahme dieser Transporte zu rechnen.

Laut Aktionsbündnis Münsterland würden die Urantransporte nach Russland seit etwa zwei Jahren auf dem Schienenweg durchgeführt. Bis zu 18 Waggons sollen auf dem Gelände der UAA in Gronau zusammengekoppelt und dann auf der Strecke Gronau - Steinfurt - Münster - Rheine ? Bad Bentheim nach Rotterdam gefahren, um dort eingeschifft zu werden. Der Transport durch das Münsterland dauere in der Regel mehrere Stunden: Auf den ersten 60 Kilometern (Gronau- Münster) - einer eingleisigen Nahverkehrsstrecke - dürfe der Zug nur langsam fahren und müsse mindestens einmal einen der dort verkehrenden Triebwagenzüge passieren lassen. In Münster müsse der Atomtransport rangieren und sich für rund eine halbe Stunde oder länger im Münsteraner Güterbahnhof aufhalten. Kurz vor dem Grenzübergang zu den Niederlanden würde der Zug noch einmal einen Halt in Bad Bentheim einlegen.

Zahleiche Bürgerinitiativen aus dem Münsterland sollen bereits im Vorfeld gegen den gefährlichen Atomtransport protestiert haben. Desweiteren will das Steinfurter Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen (SAgA) am Dienstag vor dem Borghorster Bahnhof eine Mahnwache abhalten.

Am 21-06-2004

Russland will Klimaschutzabkommen ratifizieren

Nur noch USA und OPEC blockieren

Die russische Regierung hat beschlossen, das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz zu ratifizieren. Wenn auch das Parlament, die Duma, dem Vertrag zustimmt, tritt das 1997 vereinbarte Abkommen 90 Tage später in Kraft. Umweltschützer begrüßten die Ankündigung und forderten die Duma-Abgeordneten zur Zustimmung auf. Die internationale Gemeinschaft müsse sich sputen, damit der Klimawandel nicht zu schwersten sozialen, ökologischen und volkswirtschaftlichen Schäden führe. Russland könne vom Kyoto-Protokoll deutlich profitieren. Das Kyoto-Protokoll wird nur zu einer völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung, wenn mindestens 55 Länder ratifizieren, die 1990 zusammen für mindestens 55 Prozent der in den Industrieländern ausgestoßenen Kohlendioxidemissionen verantwortlich waren. Mit Russland, das damals rund 18 Prozent beitrug, wäre diese Quote erfüllt. 122 Staaten haben das Klimaschutz-Abkommen inzwischen ratifiziert. Nimmt man den russischen CO2-Ausstoß hinzu, liegt ihr Anteil am Emissionskuchen jetzt bei rund 62 Prozent. Die notwendige 55-Prozent-Hürde würde damit genommen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßte das positive Votum der russischen Regierung als "entscheidenden Schritt im internationalen Klimaschutz". BUND-Bundesgeschäftsführer Gerhard Timm kritisierte aber die Vereinigten Staaten, die sich ihrer Verantwortung im Klimaschutz entziehen wollten. "Es kommt darauf an, auch beim Präsidenten der Vereinigten Staaten ein Umdenken zu erreichen."

Auch der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, kritisierte die USA. Doch mit der russischen Entscheidung seien die OPEC-Staaten und die USA mit ihrer Ablehnung wirksamer Klimaschutzmaßnahmen zunehmend isoliert. Doch ab 2005 könnten jetzt die Verhandlungen über eneu Reduktionsziele für das Jahr 2012 beginnen.

Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, neuen Schwung in die internationalen Klimaverhandlungen zu bringen, forderte auch BUND-Geschäftsführer Timm. So wichtig das Kyoto-Protokoll sei, reiche es bei weitem nicht aus, um die globale Klimaerwärmung zu stoppen.

Empfindliche Ökosysteme wie Gletscher und Korallenriffe und zuerst die ärmeren Bevölkerungen in vielen Teilen der Welt litten am meisten an den Folgen der Klimaerwärmung. Das treffe auch auf Russland zu, wo die einzigartige Tundra-Landschaft Sibiriens bedroht sei. Nach der Ratifizierung des Kyoto-Klimaprotokolls könne Russland verstärkt finanzielle und technologische Unterstützung erhalten, um ein effizientes und zukunftsfähiges Energiesystem aufzubauen. Das bringe den globalen Klimaschutz entscheidend voran.

Neben dem Außen- und dem Wirtschaftsministerium befasst sich in Russland nach Angaben des WWF das Ministerium für Bodenschätze mit dem Kyoto-Protokoll. Parallel zur Ratifizierung würden die Ministerien ihre Gespräche mit potenziellen Investoren intensivieren. Im Mittelpunkt dürften dabei so genannte "Joint Implementation Projekte" stehen, so der WWF. Dabei gehe es z.B. um Investitionen in die veraltete Stromversorgung des Landes. Finanzieren Deutschland oder andere Industrieländer die Modernisierung russischer Kraftwerke, erhalten sie im Gegenzug Emissionszertifikate (Klimagutschriften). Solche Projekte sind vor allem deshalb interessant, weil sich die Klimaschutzmaßnahmen in Ländern mit maroder Infrastruktur weitaus kostengünstiger realisieren lassen.

"Die Ratifizierung liegt im Interesse von Russlands Bürgern und nützt Ökonomie und Ökologie gleichermaßen", betont Alexey Kokorin vom WWF Russland. Der Klimavertrag sei eine Riesenchance für die russische Wirtschaft. Die heimische Industrie könne in großem Maß profitieren.

Am 30-09-2004

Russland laut Menschenrechtlern weit von Rechtsstaat entfernt

Gelenkte Demokratie

Die russische Justiz scheint nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) eher interessiert daran, den Willen der politisch mächtigen zu erfüllen, als die Prinzipien des Rechts durchzusetzen. Anlässlich der Verurteilung des "Yukos"-Gründers Miachail Chodorkowksi und eines Geschäftspartners betonte ai am Dienstag, dass dieser Eindruck "immer wieder" entstanden sei und es sich um keinen Einzelfall handele. So werde beispielsweise nicht eingeschritten wenn russische Soldaten in Tschetschenien Verbrechen begingen. So hat laut ai auch erst kürzlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in sechs Fällen zu Tschetschenien festgestellt, dass von einer wirksamen Strafverfolgung nicht die Rede sein kann. ai kam zu der Auffassung, Russland sei "von einem Rechtsstaat weit entfernt". Im Fall Chodorkowski lasse vieles auf eine politische Motivation der strafrechtlichen Verfolgung schließen, kritisierte der Russland-Beauftragte bei ai, Peter Franck. Dieser Eindruck habe sich im Laufe des Prozesses durch eine "Vielzahl von Verfahrensverstößen" verstärkt. ai sieht die politische Motivation darin, dass Chodorkowksi offen gegen die Politik von Russlands Präsident Wladimir Putin aufgetreten sei und oppositionelle Parteien sowie Organisationen der Bürger- und Menschenrechtsbewegung finanziell unterstützt habe.

ai schrieb, das Urteil gegen Chodorkowski sei "in einer Linie" mit weiteren Verfahren zu sehen, "wie die gegen den russischen Atomphysiker Igor Sutjagin oder die Tschetschenin Sara Murtasalijewa." Murtasalijewa sei im Januar 2005 "auf der Grundlage sehr fragwürdiger Beweismittel" wegen "terroristischer Aktivitäten" zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt worden.

Frank sagte: "Die Urteile erscheinen wie politische Botschaften: Einflussreiche Unternehmer sollen sich nicht politisch betätigen, Wissenschaftler dürfen selbst öffentlich zugängliche Informationen nur unter staatlicher Kontrolle austauschen und die staatlichen Organe präsentieren Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus." Die in Tschetschenien stationierten russischen Truppen hingegen genössen weitgehend Schutz vor Strafverfolgung. Frank: "Diejenigen, die sich schwerer Verbrechen schuldig machen, müssen die russische Justiz kaum fürchten."

Am 31-05-2005

Dramatische Folgen von Öl- und Gasausbeutung in Russland für die Bewohner

Shell, BP & Exxon

Die Russische Föderation ist die wichtigste Herkunftsregion für Erdöl und Erdgas, das in der Bundesrepublik verbraucht wird. Die Rohstoffe würden fast ausschließlich in den Gebieten der Rentierzüchter, Fischer, Jäger und Sammler des hohen Nordens und Sibiriens gewonnen. Bei einer Tagung vom 26.-28. August in der Evangelischen Akademie Iserlohn werden auf Initiative des Instituts für Ökologie und Aktions-Ethnologie (infoe) erstmals Vertreter betroffener Ureinwohnergemeinschaften, deutscher Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen sowie Vertreter von Wirtschaft und Wissenschaft der deutschen Mitverantwortung für die Lage der Ureinwohner in den Ölfördergebieten Sibiriens nachgehen und versuchen, gemeinsame Strategien zu entwickeln. Aus Westsibirien, der fernöstlichen Insel Sachalin und der nordeuropäischen Teilrepublik Komi berichten Ureinwohner und Wissenschaftler über die Folgen des Jahrzehnte währenden "Kriegs gegen die Natur" und den Widerstand der Ureinwohner gegen die rasante Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen. Auf der Tagung soll die Mitverantwortung der reichen Bundesrepublik Deutschland für das Überleben marginalisierter indigener Völker thematisiert werden.

Seit den 60er Jahren habe ein beispielloser "Krieg gegen die Natur" die Tundren, Flüsse, Seen und Taigawälder Sibiriens verwüstet. Während die Erschließung der Ölschätze des Nordens in der Sowjetunion als nationale Großtat gefeiert wurde, seien die jahrhundertelang unabhängigen Ureinwohner des Hohen Nordens zum ländlichen Lumpenproletariat herabgesunken, das als Nachtwächter, Alkoholiker und Putzfrauen seine Existenz am Rande der boomenden Öl-Dorados fristete.

Perestrojka und Markwirtschaft hätten den weitgehenden Ausfall der staatlichen Versorgung mit sich gebracht und ließen die Lebenserwartung der Ureinwohner Sibiriens auf neue Tiefststände fallen. Gleichzeitig habe mit der Öffnung der Sowjetunion der Wettlauf der "Global Player" im Ölgeschäft um die rentabelsten Ölfelder und die höchsten Renditen begonnen. Das heutige Sibirien sei ein "boomendes Wild-Ost". Auf der Strecke blieben dabei die Menschenrechte derjenigen, die die Wälder, Seen, Flüsse und Tundren des Hohen Nordens jahrhundertelang genutzt und bewahrt hätten, sagen die einladenden deutschen Menschenrechtsgruppen.

Doch in jüngster Zeit hätten die "kleinen Völker des Russischen Nordens" begonnen, sich zu wehren und für ihre Rechte einzustehen. Zu Jahresbeginn hätten sich bei minus 30 Grad Kälte erstmals Ureinwohner und Umweltschützer auf der Insel Sachalin den Öl-Giganten Shell, BP und Exxon in den Weg gestellt, deren Ölförderanlagen vor der Küste der fernöstlichen Insel die Lebensgrundlagen von über 4000 Ureinwohnern und der letzten 100 Grauwale gleichermaßen bedrohten. Hartnäckig haben sie offenbar die Durchführung unabhängiger Untersuchungen gefordert. Die Konzerne gerieten zunehmen in Bedrängnis, eine der beteiligten Einwicklungsbanken, die EBRD, habe sich zwischenzeitlich gezwungen gesehen, die Kredite einzufrieren.

Am 08-08-2005

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