Die Kritik der Unternehmen und der Wirtschaftsverbände an der vorliegenden Reform des Betriebsverfassungsgesetzes ist eigentlich eine Fundamentalkritik: Wenn man ihre Argumente genau analysiert, kommt man dahinter, dass sie am liebsten das Betriebsverfassungsgesetz ganz einfach abschaffen würden. Und so sind die meisten Argumente vorgeschoben, die von der Opposition wie von den Wirtschaftsverbaenden gegen die Reform vorgebracht werden.
Das Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes werden - von der deutschen mittelständischen Wirtschaft zumal - als von oben verordnet, gegebenenfalls außerbetrieblich gesteuert, unpassend und unzeitgemäß bezeichnet, weil angeblich eine überlebte Form der Mitbestimmung auf moderne mittelständische Strukturen übertragen werden solle.
All dies ist nur vorgetäuscht und verdeckt die tief sitzende Furcht vieler mittelständischer Unternehmer - gerade auch aus dem Handwerksbereich - vor dem Verlust patriarchalischer Verhältnisse, das heisst vor der Ersetzung von Machtverhältnissen durch Vertrags- und Kooperationsbeziehungen.
In einer Zeit, in der sich die Schere zwischen den Entwicklungen der Arbeitnehmerlöhne und der Unternehmensgewinne immer weiter zu Ungunsten der Löhne geöffnet hat, ist das Regelwerk der Betriebsverfassung ein Ordnungsfaktor ersten Ranges - ein Ordnungsfaktor, dessen Vorteile auch für die Unternehmer auf der Hand liegen sollten.
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die mittelständische Wirtschaft, dass kleine und mittlere Unternehmen durch die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes in keiner Weise gefährdet sind. Im Laufe des Beratungsverfahrens sind gerade ihre Interessen auch besonders berücksichtigt worden. Dies zeigt das neu eingeführte vereinfachte Wahlverfahren. Es ist schnell, unbürokratisch und kostensparend.
Umso unverständlicher ist, dass die Arbeitgeber und die Unternehmensverbände das vereinfachte Wahlverfahren ablehnen. Nebenbei gesagt: Widersprüchlich ist ihr Verhalten nicht alleine in diesem Punkt, und das zeigt eben deutlich, dass ihre Einwände nur vorgeschoben sind und die grundsätzliche Ablehnung kaschieren sollen.
Mit dem jetzt veränderten Wahlrecht ist auch ein weiteres scheinbares Argument gegen das Betriebsverfassungsgesetz ausgeräumt worden: Die Wettbewerbschancen kleiner Gruppen wurden deutlich verbessert.
Und noch ein Widerspruch: Die Arbeitgeber klagen über betriebliche Versäumnisse bei der Qualifizierung der Arbeitnehmer. Mit der frühzeitigen Beteiligung und dem Initiativrecht des Betriebsrates bei Qualifizierungsmaßnahmen im vorliegenden Reformentwurf wird diesem Defizit Paroli geboten.
Warum nur lehnen die Arbeitgeber jetzt diese Regelungen ab? Auch ihnen ist doch klar, dass die Zukunft ihrer Betriebe wesentlich von der Qualifizierung der Arbeitnehmer abhängt. Ein Argument gerade der mittelständischen Wirtschaft, das immer wieder gegen die Mitbestimmung vorgebracht wird, lautet, die deutschen Betriebe würden dadurch im internationalen Wettbewerb benachteiligt, die Mitbestimmung schade dem Standort Deutschland. Schaut man aber tatsächlich einmal über die Grenzen hinaus, so stellt man fest, dass es zum Beispiel in
12 der 15 EU-Staaten Betriebsratsgremien mit Informations- und Beratungsrechten gibt, teilweise über deutlich weitgehendere Rechte verfügen als die deutschen. Dies gilt vor allem in wirtschaftlichen Fragen.
Wenn die Wirtschaft einmal den Text studieren würde, würde sie feststellen, dass dieses Gesetz - wie alle parlamentarisch zustande gekommenen Gesetze - einen Kompromiß darstellt. Einen Kompromiß, in den die Wahrung der demokratischen Rechte der Arbeitnehmer ebenso eingeflossen ist wie die berechtigten Interessen der Unternehmen.
Deshalb ist das Gesetz zur Reform der Betriebsverfassung nicht nur ein vertretbares, es ist ein gutes, weil ausgewogenes Gesetz. Und deshalb muss diesem Gesetz zugestimmt werden.