Die Weltklimaveränderungen, die nahende Erschöpfung fossiler Energiepotenziale, die Gefahren der atomaren Sicherheit sowie die Verbreitung von Atomwaffen führen zu der Konsequenz, im globalen Maßstab auf Erneuerbare Energien zu setzen. Diese Maxime gilt für alle Länder der Welt, für Industrieländer wie für Entwicklungsländer. Die Zeit dafür drängt: die Einführung Erneuerbarer Energien erfolgt langsamer als die Zunahme des Energieverbrauchs.
Die Industrieländer mit ihren etablierten Systemen der konventionellen Energiebe-reitstellung müssen für deren Substitution durch Erneuerbare Energien einen umfassenden Strukturwandel durchführen, einhergehend mit großen Anstrengungen zur Minderung ihres weit überproportionalen Energieverbrauchs.
Die Entwicklungs- und Übergangsländer haben demgegenüber einen wachsenden Energiebedarf, um sich wirtschaftlich entfalten zu können. Sie befinden sich deshalb überwiegend noch im Stadium der Einführung von leistungsfähigen Energiesystemen, besonders in ihren ländlichen Räumen. Die naheliegende Schlussfolgerung ist, dass sie dies unmittelbar mit neuen Technologien zur Nutzung Erneuerbarer Energien realisieren, also ohne vorherigen Umweg über atomare und fossile Energiesysteme. Da die Mehrheit der Menschheit in Entwicklungsländern lebt, liegt die massenhafte Einführung dieser neuen Technologien nicht nur im Interesse dieser Länder, sondern in dem der Menschheit insgesamt. Das breite neue technologische und industrielle Know-how zur Nutzung Erneuerbarer Energien ist bisher jedoch nur in wenigen Industriestaaten vorhanden.
Der fundamentale strukturelle Unterschied zwischen konventionellen und Erneuerbaren Energien liegt darin, dass für erstere überwiegend Großanlagen und für letztere überwiegend Kleinanlagen eingesetzt werden. Daraus ergibt sich, dass zahlreiche Akteure nötig sind. Erneuerbare Energiesysteme sind überdies in der Regel technisch weniger komplex, so dass der Aufbau von Eigenproduktionen für Techniken zur Nutzung Erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern eher möglich ist. Diese Chance wurde bisher nicht genutzt. Voraussetzung für die Einführung dieser Techniken ist deshalb die rasche Multiplikation der Zahl potenzieller Akteure. Dieses erfordert die Organisierung eines nicht-kommerziellen Technik- und Wissenstransfers.
Da dieser Transfer in breitem Umfang und rasch erfolgen muss, ist eine darauf spezialisierte und dafür zu schaffende Internationale Agentur erforderlich: die „International Renewable Energies Agency (IRENA)". Sie soll von den Regierungen getragen werden, die Mitglied dieser Agentur sind und die deren Tätigkeit beaufsichtigen. Die Mitgliedschaft muss jedem Land, das die Aufgabe der IRENA im Rahmen ihrer Statuten unterstützt, offen stehen. Besonders für Entwicklungs- und Übergangsländer, die wenig Eigenmittel für die Organisierung des Technik- und Wissenstransfers haben, ist diese Agentur von Bedeutung. Die Empfehlungen der G8-„task force", in den nächsten 10 Jahren für eine Million Menschen die neuen Techniken zur Nutzung Erneuerbarer Energien einzuführen, sind ohne eine solche Agentur kaum realisierbar.
Die Aufgabe dieser Agentur liegt u.a. in der Beratung von Regierungen
- bei der Erstellung von nationalen Programmen zur Einführung Erneuerbarer Energien;
- in der Unterstützung von Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Informationskampa-g-nen für Erneuerbare Energien;
- in der Durchführung von Trainingsaktivitäten für Administratoren, Techniker, Handwerker und für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU);
- in der Mitwirkung an der Einrichtung von regionalen Forschungs-, Entwicklungs- und Transferzentren;
- in der Auswertung und Aufarbeitung von Informationen über angewandte Techni-ken und „best practice"-Erfahrungen;
- in der Beratung und Vermittlung von Finanzierungsmöglichkeiten Erneuerbarer Energien;
- in der Datenerhebung und Statistik.
Die IRENA soll subsidiär zu anderen Aktivitäten von Regierungs- und Nicht-Re-gierungsorganisationen und von Unternehmen wirken. Sie soll also auf keinen Fall deren Aktivitäten ersetzen, sondern diese bei Bedarf unterstützen und besonders in den Ländern und Regionen aktiv sein, in denen noch keine Aktivitäten stattfinden. Sie soll vorwiegend für den Aufbau arbeitsfähiger Strukturen tätig werden und diese miteinander vernetzen. Sie ist eine global arbeitende Hilfe zur Selbsthilfe zur Einführung neuer Technologien zur Nutzung Erneuerbarer Energien.
Der Vorteil der IRENA wäre
- eine kompetente internationale Struktur für den nicht-kommerziellen Technolo-gietransfer;
- die Verstetigung von Einführungs- und Verbreitungsaktivitäten für Erneuerbare Energien;
- eine weltweite Anlaufstelle für Entwicklungen und Konzepte im Bereich der Er-neuerbaren Energien, die global die Aktivitäten zur Nutzung Erneuerbarer Ener-gien effektivieren hilft.
Organisatorisches Vorbild dieser Agentur ist die seit den 50er Jahren bestehende „International Atomic Energy Agency (IAEA)", zu deren Aufgaben auch der nicht-kommerzielle Technologietransfer für Atomtechniken zählt. Was vor Jahrzehnten für die Atomenergie für nötig gehalten wurde, ist jetzt für die Erneuerbaren Energien in einer darauf spezialisierten neuen Agentur geboten, zumal das weltweite Interesse an Atomenergie schwindet, während das Interesse an der Nutzung Erneuerbarer Energien wächst.