DIE Internet-Zeitung
Bruttoinlandsprodukt

Im 1. Quartal nur 1,6 Prozent Wirtschaftswachstum

Am

Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im ersten Quartal 2001 schwächer gestiegen als erwartet. Die Summe aller im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen wuchs nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom Mittwoch gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,6 Prozent. Dies war das niedrigste Wachstum im Jahresvergleich seit dem dritten Quartal 1999. Gegenüber dem Vorquartal legte das BIP saison- und kalenderbereinigt um 0,4 Prozent zu, wie das Bundesamt weiter mitteilte. Analysten hatten hier mit 0,5 Prozent gerechnet. Gleichwohl liegt dieser Wert höher als im Vorquartal, als eine Steigerung um 0,2 Prozent registriert wurde.


Bei den Wachstumszahlen für das erste Quartal fällt ins Gewicht, dass im ersten Quartal ein Arbeitstag weniger als im Vorjahreszeitraum zur Verfügung stand. Diesen Kalendereffekt herausgerechnet ergäbe sich Nach Angaben des Bundesamtes im ersten Vierteljahr eine Zuwachsrate des realen BIP gegenüber dem Vorjahresquartal von 2,0 Prozent.

Die Wirtschaftsleistung wurde in den ersten drei Monaten von 38,26 Millionen Erwerbstätigen erbracht. Das waren ein Prozent oder 361.000 Personen mehr als im Jahr zuvor. Im Jahresvergleich erwies sich der reale Außenbeitrag mit einem Anteil von 0,7 Prozent wieder als eine Stütze des Wachstums. Nach wie vor hinken die privaten und staatlichen Konsumausgaben nach. Sie legten im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr nur um 1,1 beziehungsweise 0,3 Prozent zu. Die Anlageninvestitionen gingen wegen des Einbruchs bei den Bauinvestitionen (-10,6 Prozent) um 3,2 Prozent zurück.

Am 23-05-2001

Kritik an Fixierung auf Wirtschaftswachstum bei allen Parteien

Diskussionspapier

Mit einer scharfen Wachstumskritik an allen Parteien hat sich der Regionalverband Südlicher Oberrhein des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mit einem "Thesen- und Diskussionspapier" zu Wort gemeldet. "Unbegrenztes Wachstum ist dauerhaft möglich und die einzige Lösung aller Probleme" sei die nicht hinterfragte Botschaft praktisch aller Parteien. Doch hinter solchen Aussagen, Wahlkampfparolen, Wirtschaftsinteressen, Wünschen und Problemlösungsansätzen stünden "unhinterfragte Mythen und der alte, zerstörerische Irrglaube, unbegrenztes Wachstum sei dauerhaft möglich". Kopfrechnen sei in Wahlkampfzeiten nicht angebracht. "Doch bei einem anhaltenden Wachstum von 3 Prozent verdoppelt sich das Bruttosozialprodukt alle 23 Jahre, bei 5 Prozent sogar bereits alle 14 Jahre", schreiben die Umweltschützer aus Südbaden. "Und eine Menge, die exponentiell wächst, vertausendfacht sich jeweils nach der zehnfachen Verdoppelungszeit. Dauerhaftes exponentielles Wachstum einer Wirtschaft ist nicht möglich und führt zwangsläufig zur Selbstzerstörung." Als Problemlösungsansatz könne es langfristig und global nicht dienen. Durch die periodischen Kriege im Laufe der Menschheitsgeschichte sei das bisherige Wachstum immer wieder unterbrochen worden. "Es wäre anzustreben, die aktuellen Probleme ohne großen Krieg in den Griff zu bekommen."

In Sachen Ökologie, Energiepolitik und soziale Gerechtigkeit gebe es "erfreuliche Unterschiede in den Parteiprogrammen", jedoch nicht beim Thema Wirtschaftswachstum.

Die aktuellen politischen Debatten - nicht nur in Wahlkampfzeiten - würden "innerhalb eines zutiefst zerstörerischen Logikkreises" geführt, schreibt der Regionalverband des BUND. "Die Politik gibt nicht etwa nur die falschen Antworten auf die drängenden Zukunftsfragen, viele der wichtigsten Fragen werden überhaupt nicht mehr gestellt."

"Vorbild Japan - ein Medienflopp"

Immer wieder würden in der öffentlichen Debatte andere Länder benannt, die ein stärkeres, "vorbildhaftes" Wachstum hätten. Vor dem Jahr 1990 sei Japan als das "große Vorbild" dargestellt worden. "Die boomende japanische Wirtschaft wurde idealisiert und den deutschen Arbeitnehmern sagten Medien und Politik, sie sollten sich die Japaner endlich als Vorbild nehmen." Dann sei 1990 in Japan als Folge exponentiellen Wachstums die Immobilienblase geplatzt, die Börse sei in den Keller gegangen und von einem Tag auf den anderen sei in Deutschland das "Vorbild Japan" kein Thema mehr gewesen. "Aufgearbeitet wurde dieser Medienflopp nie. Und die Staatsverschuldung mancher Länder, die uns heute als Vorbild dienen sollen, ist für die Medien wieder kein Thema", heißt es in dem Diskussionspapier.

Unser Wirtschaftswachstum sei "immer noch nicht ganz" abgekoppelt von einem erhöhten Energie- und Rohstoffverbrauch, heißt es weiter. "Das Ende des Öl- und Uranzeitalters ist absehbar und wird durch den Export unseres Verschwendungssystems nach China und Indien noch verstärkt."

Deutlich werde dies unter anderem durch die erkennbare Verknappung der fossilen Rohstoffe, aktuell beim Benzinpreis. "Das weltweit knapper werdende Öl löst beim abhängigen Patienten Mensch klassische Suchtsymptome aus", meinen die Umweltschützer. "Statt Energie zu sparen und Alternativen zu fördern, rufen wachstumsgläubige Politiker nach einer intensiveren Ölförderung und nach der noch härteren Energiedroge Atomenergie."

Umwelterfolge: "Zerstörungsprozesse laufen ein wenig langsamer"

Die Umweltbewegung in Deutschland habe viel erreicht. Luft und Wasser seien tatsächlich sauberer geworden und auch sonst habe es viele Erfolge gegeben. "Das bedeutet aber nicht mehr und nicht weniger, als dass die weltweiten Zerstörungsprozesse hier ein wenig langsamer ablaufen als anderswo", so die harte Analyse der Südbadener. "Immer noch gehören auch wir in Deutschland zum zumeist unzufrieden gehaltenen, kleinen 'reichen' Teil der Menschheit, der aber den Großteil der Energie und Rohstoffe verschwendet und damit hauptsächlich für die weltweite Umweltverschmutzung verantwortlich ist."

"Autoboom in China wird in Medien immer noch unkritisch bejubelt"

Ein Teil des bisher "unterentwickelten" Rests der Welt, insbesondere China und Indien, sei gerade gerade dabei, "unser zerstörerisches Modell einer Raubbauwirtschaft nachzuahmen und zu einer ernstzunehmenden industriellen Konkurrenz zu werden."

Der beginnende Autoboom in diesen Ländern werde in unseren Medien immer noch unkritisch bejubelt. Die Folgen dieses Booms für Ökologie und Weltklima seien kein Thema. "Und ist es den Menschen in Asien zu verdenken, dass sie unserem schlechten Beispiel nacheifern?"

Hundertfünfzig Jahre Industriealisierung haben nach Auffassung des BUND-Regionalverbandes dazu geführt, dass die in vielen Millionen Jahren geschaffenen Energievorräte und die Rohstoffreserven der Welt zur Neige gingen und wir gleichzeitig unter anderem mit Atommüll Gifte produziert hätten, die über eine Million Jahre sicher gelagert werden müssten.

"Gewerkschaften und Umweltbewegung mildern die schlimmsten Folgen des krebsartigen Wachstums ab"

"Während sich bei uns in diesen 150 Jahren zumindest einige regulierende Gegenkräfte entwickelt haben (Gewerkschaften, Umweltbewegung, etc.) um die schlimmsten Folgen des krebsartigen Wachstums für die Menschen abzumildern, wuchern die Metastasen des Industriesystems in China, Indien und den so genannten Tigerstaaten ungehemmt, mit enormen Folgen für die Umwelt, die Sozialsysteme und die Menschen."

Die Prognosen des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums aus dem Jahr 1972 hätten sich bisher nur zum Teil erfüllt. Doch zum damaligen Zeitpunkt seien die Wachstumsgesellschaften Indiens, Chinas und Südostasiens auch noch im Embrionalzustand gewesen. "Jetzt, wo diese großen Märkte für ihr Wachstum immer mehr Energie und Rohstoffe verbrauchen, zeigt sich wie richtig die Thesen des Club of Rome waren", meinen die Umweltschützer.

Die Folgen unseres Handelns seien weltweit nicht zu übersehen. Der Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre nehme zu und das Weltklima verändere sich. Die so genannte friedliche Nutzung der Kernenergie gefährde durch Unfälle, Terrorismusbedrohung und die Weiterverbreitung von Atomwaffen unsere Zukunft. "Alles Wissen um Umweltfragen verhindert nicht den massiven Raubbau an den letzten Urwäldern der Erde und am beschleunigten Artensterben."

"Ungleichheit verstärkt die Kriminalität"

Die größer werdende Ungleichheit zwischen den Nationen und den Menschen verstärke die Kriminalität und ergebe einen fruchtbaren Nährboden für Fundamentalismus und Terrorismus. Zur weltweiten Umweltzerstörung käme im Zeitalter der Globalisierung "ein zunehmend ungehemmter Konsumismus, eine Gefährdung der Demokratie unter anderem "durch die zunehmende politische Macht der Konzerne, soziale Ungerechtigkeit, Sozialabbau und eine verstärkte Innenweltverschmutzung." Habgier und Egoismus als gefördertes und gewünschtes Lebensmodell zerstöre die Gesellschaft.

Das Denken des größten Teils der politischen Klasse, der Medien und auch der Menschen beruht nach Auffassung der Umweltschützer auf Mythen und Illusionen. Unter anderem auf dem Mythos, dass unbegrenztes Wachstum dauerhaft möglich sei.

"Wer soll all die Produkte kaufen, wenn unsere Produktivität sich weltweit verbreitet?"

Doch wenn unser System unbegrenzt wachse, wenn weiterhin weltweit Energie, Rohstoffe und gesellschaftliche Reichtümer verschwendet würden, dann stelle sich nicht die Frage, ob das System kollabieren könnte, sondern nur noch die Frage, wann dieser Crash komme. "Woher sollen Rohstoffe und Energie kommen, wenn sich der American Way of Life weltweit verbreitet? Wer soll all die Produkte kaufen, wenn unsere Produktivität sich weltweit verbreitet? Und sind die Menschen, die heute den so genannten 'hohen Lebensstandard' haben, tatsächlich zufrieden und glücklich, oder wachsen mit zunehmendem Wohlstand nicht sogar Habgier und Unzufriedenheit?"

"Alternativen Energien gehören zu den wenigen hoffnungsvollen Zeichen"

Das Wachstum im Bereich der Alternativen Energien, gehört nach Auffassung der Umweltschützer zu den wenigen hoffnungsvollen Zeichen der Zeit. Von 1995 bis 2005 hätten sich die Preise für atomar-fossile Energien mehr als verdoppelt, während sie sich für erneuerbare Energien halbiert hätten. Windstrom sei global die am schnellsten expandierende Energienutzung.

In der EU seien im Jahr 2005 alle zwei Monate 1000 MW neue Windenergie ans Netz gegangen. Der Leistung nach entspreche dies dem schweizerischen Atomkraftwerk Gösgen und die mit diesen Windkraftanlagen gewinnbare Energiemenge entspreche der Produktion des ebenfalls schweizerischen Atomkraftwerks Beznau. Eine solche Kapazität käme alle 60 Tage hinzu. "Und genau dieses positive Wachstum der zukunftsfähigen Energien wird von den Anhängern der atomar-fossilen Energiegewinnung massiv bekämpft."

"Wir haben Technologien und Waffen enwickelt (Atomenergie, Bereiche der Gentechnik, Atom- und Biowaffen), welche die Zukunft der Menschheit bedrohen", heißt es weiter. Gleichzeitig zeigten aber manche Fortschritte, nicht nur bei Sonnen- und Windenergie, dass der technische Fortschritt dem Menschen auch nützen könne. "Nicht alle Rationalisierungtechnologien schaffen Probleme", meinen die Umweltschützer.

"Produktion von reparaturfähigen, langlebigen Produkten und weniger bezahlte Erwerbsarbeit"

"Mit der heute verfügbaren Technik, mit der Produktion von reparaturfähigen, langlebigen Produkten könnten wir, größtenteils befreit von stupiden Tätigkeiten, ein 'gutes' Leben führen". "Gut leben statt viel haben" müsse der heutigen "Ich kaufe, also bin ich-Ideologie" entgegengesetzt werden.

Das bedeute "weniger bezahlte Erwerbsarbeit" und "die gerechtere Verteilung des durch die Rationalisierung zurückgehenden Arbeitspensums" auf mehr Menschen. Weniger Arbeit und gleichzeitig mehr Lohn und Konsum werde es dann aber nicht geben. Das aktuelle Motto auch der politischen Linken: "Leute, kauft mehr kurzlebigen Scheiß, um die Wirtschaft anzukurbeln" sei kurzsichtig und zerstörerisch.

Es könne auch nicht angehen hohe Löhne beziehen zu wollen und gleichzeitig am liebsten billige Produkte zu kaufen, "die unter Sklavenhalterbedingungen in den armen Ländern produziert wurden".

Nur wenn es gelinge, mit einem wesentlich verringerten Input von Energie und Rohstoffen ein gutes Leben zu führen, könnten auch die Länder des Südens an den Reichtümern der Welt gleichberechtigt teilhaben. "Ohne einen gleichberechtigten Zugang aller Menschen zu den Ressourcen der Welt, ohne Abrüstung, Demokratie und Menschenrechte gibt es keine nachhaltige Zukunft", sind die Umweltschützer überzeugt.

Die schwierigste Zukunftsaufgabe der Umweltbewegung werde es sein, aufzuzeigen, dass unbegrenztes Wachstum begrenzte Systeme zerstöre. Es gelte, eine tatsächlich nachhaltige Entwicklung einzuleiten. "Die größten Einschränkungen auf diesem Weg, sind die ökonomischen Widerstände und die Tatsache, dass dieser zukunftsfähige Weg Vernunft und ein massives Umdenken voraussetzt."

Am 02-09-2005

Bundesregierung erwartet Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent

"Der Export boomt"

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Jahreswirtschaftsbericht 2006 der Bundesregierung beschlossen. Auf Basis dieses Berichts wurde die bisherige Erwartung von ursprünglich 1,2 Prozent Wirtschaftswachstum für dieses Jahr auf 1,4 Prozent nach oben korrigiert. Die konjunkturelle Erholung habe sich gefestigt und werde an Breite gewinnen, sagte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos in Berlin. Die deutsche Wirtschaft befände sich zu Jahresbeginn im Aufwind. "Der Export deutscher Produkte boomt", so Glos. Nach den Zahlen des Berichts soll das Bruttoinlandsprodukt 2006 um 1,4 Prozent zunehmen, gegenüber einer Zunahme von 0,9 Prozent im vergangenen Jahr und 1,6 Prozent 2004. Die "Erwerbstätigkeit" werde sich 2006 im Jahresverlauf "allmählich beleben". Nach dem Bericht soll sich im Jahresdurchschnitt die Zahl der Arbeitslosen "voraussichtlich um rund 350.000 gegenüber dem Vorjahresniveau verringern".

Die Bundesregierung kündigte an, die steuerlichen Rahmenbedingungen insbesondere für Unternehmen weiter zu verbessern, "damit inländische und ausländische Unternehmen in Deutschland wieder mehr investieren", heißt es offziell zur Begründung. Mittelständler und Existenzgründer würden im Rahmen eines "Mittelstandsentlastungsgesetzes von bürokratischen Vorschriften entlastet". Im Rahmen einer Mittelstandsinitiative werde die Bundesregierung darüber hinaus die Finanzierungsbedingungen für kleine und mittelständische Unternehmen weiter verbessern.

Am 25-01-2006

Wie Moral und Gesundheit das Wirtschaftswachstum fördern könnten

Leo und Simone Nefiodow

Die Faktenlage in puncto Moral ist traurig: Jeder vierte Deutsche betrügt seine Versiche­rung, im Ein­zel­handel wird acht Millionen Mal im Jahr geklaut, jeder vierte Millio­nen­brand geht auf Sabotage zu­rück, jedes vierte Unternehmen ist inzwischen Opfer von Com­puter­kriminalität, die Schwarzarbeit beträgt 15 Prozent des Bruttoinlands­produktes, 40 Prozent der neu geschlossenen Ehen gehen in die Brüche. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Oder das Beispiel USA. Jeder dritte US-Wis­sen­­­schaftler schummelt in seinen Publika­tionen. Statistisch gesehen ist jeder fünfte männ­liche Ame­ri­ka­ner im erwerbsfähigen Alter kriminell. Fast jeder zehnte Jugendliche raucht Haschisch, viele von ihnen greifen regelmäßig zu einem Joint. 50 Prozent der Ehen gehen in die Brüche. Die soziale Ungleichheit hat einen Rekord erreicht: 0,1 Prozent der Bestverdiener verdienen mehr Geld als die 120 Millionen ganz unten.

Die Unordnung in der Welt hat surreale Dimensionen angenommen. Patent­schutz und Urheber­rechte werden systema­tisch ignoriert oder unterlaufen. Die Gefängnisse in der Welt waren noch nie so voll. In Sao Paulo, Rio de Janeiro, Moskau, Caracas, Kalkutta, Johannesburg, Dacca, Mexico City ist Kriminalität in den brutalsten Formen keine Seltenheit. Auch der Sport ist von der wachsenden Unordnung nicht verschont. Enthüllungen von Dopingfällen, Schiedsrichter­bestechungen, Manipulationen von Sportereignissen, Korruption von Sportfunktionären sind an der Tagesordnung.

Bis zu 70 Prozent aller Frauen weltweit werden im Laufe ihres Lebens Opfer von physischer, psychischer oder sexueller Gewalt. Die Internet-Kriminalität wächst zweistellig, Virusangriffe und Gegen­angriffe nehmen zu und haben zu einer neuen Kriegsform zwischen Staaten und Institutio­nen geführt, dem Cyberkrieg. Jeder Betrieb und jede Regierung kann heute durch Cyber­angriffe schwer gestört oder sogar lahm gelegt werden (wie das Beispiel Estland 2007 gezeigt hat).

Weltweit ist Unordnung zu einem Megaproblem und zu einem Megamarkt gewor­den. Millio­nen Menschen stehen im Dienste illegaler und krimineller Organisationen (die Zahl der russischen Mafiosi wird auf 300.000 geschätzt). Die Geldwäsche ist seit 1990 um mehr als das Zwanzigfache gestiegen und dürfte inzwischen mehr als 2.000 Milliarden US-Dollar p.a. erreichen. Aus Profitinteressen manipu­lieren Großbanken die Zinsen (z.B. Libor, Euribor) auf Kosten der Allgemeinheit. Die Schattenwirtschaft hat weltweit groteske Züge angenommen: In Russland erreichte sie 2011 fast die Hälfte des Brutto­inlands­­produktes (44 Prozent).

Die Unordnung ist inzwischen für Wirtschaft und Kultur die Wachstumsbarriere Nummer eins. Addiert man die Schäden, Verluste und Kosten, die durch Unordnung jährlich anfallen, dann erhält man für 2013 einen Betrag von mindestens 18.000 Mrd. US-Dollar. Das war mehr als das Sozialprodukt der USA. Diese Daten sind ein Abbild des moralischen Zustandes der Welt.

Wirtschaft und Kultur sind Systeme, die zwar keine bestimmte Moral vorschreiben, aber ohne Moral nicht funktionieren. Beide brauchen sie den ehrlichen Kaufmann, den nicht korrupten Politiker und Beamten. Sie brauchen Wissenschaftler und Journalisten, die sich der Wahrheit und Künstler, die sich dem Wahren, Guten und Schönen verpflichtet fühlen.

Obwohl die Wirtschaft auf Moral angewiesen ist, betrachten die Ökonomen es nicht als ihre Aufgaben, Moral zu vermitteln. Dabei könnten sie sehr wohl zur Stärkung der Moral effektiv beitragen (z.B. durch die Einführung von Ethikbilanzen). Der Staat ist für Ordnung zuständig. Durch Gesetze, Polizisten und Strafen sorgt er dafür, dass die Menschen sich möglichst straffrei verhalten. Aber auch er erzeugt keine Moral und betrachtet es nicht als seine Aufga­ben, eine solche zu schaffen. Ebenso schafft die Wissenschaft keine Moral, sie versteht sich selbst als ethisch neutral. Wer soll bzw. kann dann für eine bessere Moral sorgen?

Man kann das moralische Problem aber auch von einer anderen Seite her betrachten. Moralische Defizite können ebenso als Gesundheitsdefizite interpretiert werden. Das wird deutlich, wenn man das Verhalten gesunder Menschen zum Vergleich heranzieht. Ein psychisch gesunder Mensch nimmt keine Drogen. Ein geistig gesunder Mensch geht verantwortungs­voll mit der Natur und den natürlichen Ressourcen um und löst Probleme nicht mit Gewalt. Ein seelisch gesunder Mensch liebt die Wahrheit, betrügt nicht, ist nicht korrupt.

Ein sozial gesunder Mensch bricht nicht in fremde Wohnungen ein, ist nicht nur am eigenen, sondern am Wohlergehen aller Menschen interessiert. Ein spirituell gesunder Mensch hat eine vertrauensvolle Beziehung zu Gott, tritt für Frieden und Versöhnung ein und verbreitet weder Hass noch Gewalt. Die Unordnung in der Welt kommt nicht von gesunden Menschen.

Es sind nicht die politischen Strukturen, nicht der Mangel an wissenschaftlicher und künstlerischer Kreativität, nicht das fehlende Geld, nicht die fehlende Technologie, an denen es primär mangelt. Es ist die schlechte Moral, die das Funktionieren von Wirtschaft und Kultur beeinträchtigt. Moralische Defizite entziehen der Gesellschaft die Kraft, die sie für eine gesunde Entwicklung braucht.

Im Gesundheitswesen wurden in den letzten beiden Jahrhunderten große Fortschritte er­zielt. Viele Krankheiten, die früher als unheilbar galten oder tödlich verliefen, können inzwischen wirksam behandelt werden. Zahllose Medikamente stehen zur Verfügung, um Beschwerden und Krankheiten zu mildern oder zu heilen. Akutmedizin und Chirurgie bieten heute auch in Extremfällen lebensrettende Hilfen an, die früher kaum jemand für möglich gehalten hätte. Die Geschichte der Medizin der letzten beiden Jahr­hun­derte war eine echte Erfolgsstory.

Aber diese Erfolgsstory droht zu Ende zu gehen. Seit dem späten 20. Jahrhundert reichen die erzielten medizinischen Fort­schritte nicht mehr aus. Als Konsequenz nehmen die Zahl der Erkran­kungen und die Kosten im Gesund­heits­­wesen in allen Ländern stetig zu. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden sich die Krebs­erkran­kungen insge­samt im Zeitraum 2000-2030 mehr als ver­doppeln. Nach Hoch­rechnungen der Welt­gesund­heitsor­ganisation (WHO) werden im Jahr 2020 Depressionen weltweit die zweithäufigste Ursache für Erwerbs­un­fähigkeit und vor­zeitige Sterblichkeit sein.

Die wachsende Zahl der Erkrankungen spiegelt sich in den Ausgaben wider. So lag der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in den USA im Jahre 1965 bei 5,9 Prozent, im Jahr 2014 war er auf 18 Prozent angestiegen. In 2020 soll der Anteil die 20 Prozent erreichen. Nimmt man noch die Ausgaben der erwei­terten Gesundheitswirtschaft hinzu, dann fließt inzwischen jeder fünfte Dollar in den USA in die Gesundheit. Die amerikanischen Gesundheitsausgaben liegen inzwischen höher als das Bruttoinlands­produkt Deutschlands – der viertgrößten Industrienation der Erde.

Weltweit verursacht das von der akademischen Schulmedizin geprägte Gesundheitswesen Ausgaben von rund 12.000 Milliarden US-Dollar (2013). Die Kosten steigen seit Jahrzehnten stärker als das Wirtschafts­wachstum und ein Ende dieses Trends ist nicht erkennbar. Das derzeitige Gesundheitswesen bekommt den Kostenanstieg nicht in den Griff, weil es durch zu viele Strukturprobleme belastet ist. So wurden 2010 z. B. in den staatlichen US-Gesundheits­pro­grammen Medicare und Medicaid für die Behand­lung von Demenz rund 140 Milliarden US-Dollar ausgegeben, für die Erforschung ihrer Ursachen aber nur 0,5 Milliarden. Ein Verhältnis von 280 zu 1. Wenn man die Ursachen einer Krankheit nicht erforscht, dann kann man sie auch nicht heilen.

Die Ausrichtung auf Krankheiten ist grundsätzlich nicht falsch, sie wird aber zum Problem wenn immer mehr Krankheiten nur behandelt, aber nicht geheilt werden. Dann werden sie chronisch und kosten ein Leben lang Geld. Es fehlen die Anreize, welche die Leistungs­erbringer motivieren, einen Patienten zu heilen statt nur zu behandeln. Und das gilt immerhin für Bluthochdruck, Diabetes, Rheuma, Neuro­dermitis, Psoriasis, Aids, Parkinson, Alzheimer, Demenz, Multiple Sklerose, Krebs, Depres­sio­nen, Burnout, Psychosen usw.

Viele Krankheiten sind Systemerkrankungen. Ihre Ursachen liegen nicht in rein physischen oder biologischen Fehlfunktionen, sondern in Psyche und Geist. Auch das soziale Umfeld ist ursächlich mit beteiligt. Werden diese Faktoren mitbehandelt, verbessern sich die Effektivität der Therapie und die Chancen auf Heilung. Wissenschaftliche Studien in den USA haben auch einen engen Zusammenhang zwischen Gesundheit und Religion nachgewiesen.

Gläubigen Christen fällt es leichter, auf Alkohol, Nikotin und Drogen zu ver­zich­ten. Sie weisen ei­ne geringere Anfälligkeit für Aggressionen, Feindschaft und Angst auf. Gläu­bige Christen haben ein um 40 Prozent ge­rin­geres Blut­hoch­druck­risiko und weisen mit doppelt so hoher Wahr­schein­lich­keit ein starkes Im­mun­system auf. Wenn sie erkranken, kön­nen sie mit ihren Be­schwerden besser um­gehen. Athe­isten sind wesentlich stärker gefähr­det durch Dro­­gen, De­pressio­nen, Neu­ro­sen und Selbst­mord.

Ein weiteres Strukturproblem ist die Art und Weise, wie der medizinische Fortschritt genutzt wird. Der medizinische Fortschritt gilt als der Hauptverursacher der Kosten. Die Ausgaben zu seiner Erzielung sind aber höher als die Einsparungen, die er mit sich bringt. Deswegen steigen die Ausgaben permanent an. Auch hier besteht ein folgenschweres Struktur­problem, da es nicht genügende Anreize für die Leistungserbringer gibt, einen medizini­schen Fortschritt anzustreben, der den Patienten Vorteile bringt, die Kosten erheblich senkt und für die Leistungserbringer dennoch mit keinen Einkommens­verlusten verbunden ist.

Was wäre zu tun?

Jede Krise hat ihre besonderen Anforderungen. Die Gesundung des ganzen Menschen ist u.E. derzeit die wirksamste Strategie, um die soziale Unordnung und ihre destruktiven Folgen in den Griff zu bekommen. Um dieses Ziel zu erreichen, stehen vor allem vier Institutionen zur Verfügung: die Familie, das Bildungswesen (einschließlich innerbetriebliche Weiterbildung), das Gesund­heits­system und die Hoch­religionen. Aufgabe der Politik sollte sein, die Rahmen­bedingungen so zu gestalten, dass die vier genannten Akteure ihre Aufgaben möglichst gut erfüllen können. Das heißt: Die vier Hauptakteure mehr als bisher in der Aufgabe zu unterstützen, ganzheitlich gesunde Menschen heranzu­bilden. Sollte es gelingen, die soziale Unordnung um zehn Prozent zu reduzieren und die Produk­tivität im herkömmlichen Gesundheitswesen um zehn Prozent zu steigern, dann stünden jedes Jahr genügend Ressourcen für den lang ersehnten Aufschwung zur Verfügung.

Das Erfreuliche ist, dass die Ressourcen, die für einen nachhaltigen Aufschwung benötigt werden, weitgehend vorhanden sind. Geld ist reichlich vorhanden. Arbeitskräfte sind ebenfalls reichlich vorhanden. Modernste Informations- und Kommunika­tions­technologien stehen zur Verfügung, modernste Technologien für Produk­tion, Transport, Verwal­tung und weltweiten Vertrieb sind ebenfalls vorhanden. Darüber hin­aus standen den Verantwortlichen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik noch nie so viele Universitäten, Forschungs­organisationen, Think-Tanks und Beratungsinstitute zur Seite, um sie mit neu­estem Wissen zu versorgen. Und es dürfte noch nie so viele große internationale Institutionen und Organisa­tionen sowie so viele internationale Konferenzen, Symposien, bilaterale und multilaterale Vereinbarungen gegeben haben und weiter zur Verfügung stehen, um die globalen Probleme zu lösen. Jetzt kommt es darauf an, diese Ressourcen auf das rich­tige Ziel auszurichten: Den Menschen mit seinen unerschlossenen moralischen Potentialen in den Mittel­punkt zu stellen.

Der Mathematiker Leo Nefiodow ist Mitglied des Club of Rome und einer der bekanntesten Vertreter der Theorie der langen Wellen. Er ist seit 1965 in der Forschung, Entwicklung und Anwendung der Informationstechnologie tätig, daneben war er Berater des Bundesministeriums für Forschung und Technologie, mehrerer Landesregierungen, internationaler Organisationen und privater Unternehmen. Zu seinen Schwerpunkten zählt die Zukunftsforschung. Der vorliegende Aufsatz fasst einige Gedanken aus dem Buch von Leo Nefiodow und seiner Tochter Simone zusammen: Der sechste Kondratieff. Die neue, lange Welle der Weltwirt­schaft. Sankt Augustin, 2014.

Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V.

Am 13-11-2015

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