Das Mahnwesen beginnt meist so: Nach Ablauf der Fälligkeit schickt das Unternehmen dem säumigen „Kunden“ mehrere Mahnungen. Oftmals wird dann beim Kunden angerufen, um den Grund für die Nichtbezahlung zu erfahren. Erst wenn man merkt, dass man so nicht weiter kommt, wird ein Inkassobüro beauftragt. Kurz: Niemand beauftragt gerne ein Inkassobüro.
NGO: Holen denn alle Firmen diese Bonitätsauskünfte ein?
Nein. Es ist länderabhängig, ob man solche Auskünfte bestellt. Je mehr Datenschutz, desto teurer die Auskünfte. Als Unternehmer muss man ja auch aufpassen, dass die ganze Marge nicht an solche Kosten verloren geht.
NGO: Gibt es Branchen, bei denen das Unternehmen eher gefährdet ist, Geld zu verlieren?
Klares Ja. In gewissen Branchen sind Sie umso gefährdeter, je mehr Anbieter es gibt. Denken Sie an Zahnärzte, Autogaragen. Wenn Zahnarzt X noch eine offene Forderung gegen mich hat, dann gehe ich das nächste Mal halt zum Zahnarzt Y. Da es sich beim Zahnarzt vielfach um höhere Forderungen handelt, müsste es eigentlich normal sein, dass solche Auskünfte vorab eingeholt werden.
NGO: Wie gefährlich ist es Ihrer Erfahrung nach, online Waren zu verkaufen, ohne über eine Bonitätsauskunft zu verfügen?
Schauen Sie, ich kenne jemand, der online Naturprodukte verkauft, und zwar in verschiedene Europäische Länder. Dieser Unternehmer verzichtet auf Auskünfte, weil die Marge das nicht hergibt und in manchen Ländern die Auskünfte zu teuer sind. Er macht jährlich ca. 3 Millionen Euro Umsatz - muss aber jährlich acht Prozent davon abschreiben. Er verliert also 240.000 EURO pro Jahr, weil seine Kunden nicht bezahlen.
Wer also glaubt, Inkassobüros seien doch nicht notwendig, der könnte durchaus mal überlegen, welche Folgen diese Verluste haben. Für 240.000 EURO können Sie mehrere neue Mitarbeiter einstellen. Und: Sie dürfen nicht vergessen, dass Ihre zahlenden Kunden Ihre Forderungsausfälle mitbezahlen! Ohne diese Ausfälle könnten Sie Ihre Produkte nämlich tatsächlich um acht Prozent günstiger verkaufen. Mit anderen Worten: Sie gefährden Ihre Konkurrenzposition mit jedem Forderungsausfall. Für den Staat bedeutet jeder Forderungsausfall übrigens weniger Steuereinnahmen. Wussten Sie eigentlich, dass sieben von zehn Insolvenzen (70%) aller Insolvenzen durch Debitorenverluste entstehen?! Damit beginnt also immer ein Teufelskreis. Wenn meine Kunden nicht bezahlen, dann kann ich meine Mitarbeiter und Lieferanten auch nicht bezahlen. Mangelnde Liquidität führt zum Konkurs. Ganz einfach.
NGO: Bonitätsauskünfte sind aber auch umstritten – verstehen Sie das?
Man muss mit solchen Informationen immer behutsam umgehen. Wer sich schon grundsätzlich gegen jede Datenspeicherung ausspricht, sollte sich vielleicht mal fragen, ob er einer ihm völlig unbekannten Person so ohne Weiteres 100.000 EURO geben würde, nur auf das Versprechen hin, diese Summe nächste Woche wieder zurück zu erhalten. Würden Sie das tun? Sehen Sie, deshalb muss man, meine ich, jeden Unternehmer verstehen, der sich weitgehend absichern will, bevor er auf Rechnung Waren liefert oder Dienstleistungen erbringt. Es ist jedoch wichtig, dass Bonitätsauskünfte und die entsprechenden Informationen auch stimmen und nur an Personen erteilt werden, die einen Interessennachweis vorlegen können.
NGO: Sie bieten mit Ihrer Firma IB Score AG Inkasso in der Schweiz und in Liechtenstein an, während DWM (Dick Wolff Management) weltweites Inkasso anbietet. Muss ein Unternehmer ein unterschiedliches Mahnwesen durchführen, wenn seine Kunden auch im Ausland sind?
Die Kommunikation mit Kunden im Ausland ist oft schon durch die verschiedenen Sprachen weniger einfach als in der Muttersprache. Auch können die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), ein wichtiger Bestandteil des Forderungsmanagements, nicht einfach übersetzt werden. Jedes Land hat seine eigenen Gesetze. Solche Unterschiede müssen vorab bekannt sein, sonst kann es sehr teuer werden.
NGO: Worauf sollten Unternehmen bei ihrem Mahnwesen denn ganz besonders achten?
Nun, die meisten Mahnungen sind standardisiert. Also 1. Mahnung, 2. Mahnung etc. Wenn ich eine erste Mahnung erhalte, weiss ich vorab schon, dass es noch eine Zweite gibt. Ich kenne Firmen, die weit über 10 Mahnungen verschicken. „Schade um die Briefmarken“, denke ich dann. Klar möchte man eine Forderung nicht zu schnell einem Inkassobüro übergeben. Aber man kann es mit den Zahlungsfristen auch übertreiben. Irgendwann sollte man ja die offenen Posten in Liquidität umsetzen. Man muss ja schliesslich seine Rechnungen bezahlen.
NGO: Nun bieten ja auch viele Anbieter, die eher auf Inlandsinkasso spezialisiert sind, Auslandsinkasso an. Wie lässt sich erkennen, ob mein Anbieter oder ein Inkasso-Unternehmen überhaupt fürs Auslandsinkasso qualifiziert ist, sprich: mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit arbeiten kann?
Tja, sehen Sie, das lässt sich halt nicht so mir-nix-dir-nix beantworten. Das beginnt schon damit, dass es für „Auslandsinkasso“ gleich mehrere Begriffe gibt. Da ist mal die Rede vom internationalen Inkasso, dann vom weltweiten Inkasso und dann wieder vom Auslandsinkasso national/international. Jedes Büro interpretiert seine Dienstleistung unterschiedlich, das alleine herauszufinden, gleicht schon der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.
Schlimmer aber: Es gibt Inkassobüros, die ihre Mahnungen ins Ausland versenden und dies doch tatsächlich als „Auslandsinkasso“ verkaufen. Und was passiert dann: Der Schuldner zahlt halt immer noch nicht, und die Bearbeitung wird eingestellt. (Ironisch) Herzlichen Glückwunsch!
Dann gibt es welche, die Mahnungen in verschiedenen Sprachen versenden und dies als internationales Inkasso anbieten. Da habe ich mal erlebt, dass ein Inkassobüro seine Mahnung in sicher 10 verschiedene Sprachen übersetzen ließ. Lustig wurde es dann, als das Büro prompt Antworten auf Chinesisch und Japanisch bekam. Und schon war’s wieder vorbei mit dem Inkasso – Übersetzungskosten zu hoch!
Wiederum andere haben Partner in den Nachbarländern, an die sie die Forderungen übergeben können. Manche Inkassobüros sind bei irgendwelchen internationalen Organisationen angeschlossen und profitieren dort von einem internationalen Netzwerk.
Und dann gibt es noch die Büros, wie wir, die wirklich ein eigenes unabhängiges weltweites Netzwerk aufgebaut haben. Von uns gibt es nur ganz wenig. Wir haben in praktisch allen Ländern einen Inkassopartner, bei denen wir wissen, dass sie exzellente Arbeit leisten, und stets alles rechtlich Mögliche tun, die Forderungen einbringlich zu machen.
NGO: Wieso haben Sie sich für diese Variante entschieden?
Ein gutes Auslandsinkasso kann nur funktionieren, wenn der Schuldner vor Ort Druck spürt. Das gelingt nun mal nicht mit Mahnungen aus dem Ausland. Wir wollten unabhängig bleiben. Ich möchte mich nicht vertraglich verpflichten müssen, gewisse Inkassopartner im Ausland zu berücksichtigen, wenn ich mit ihren Leistungen nicht zufrieden bin. Aber es ist enorm viel Arbeit, ein solch großes Netzwerk zuverlässig zu führen. Immer wieder gibt es Änderungen, sowohl positive als negative.
NGO: Das heisst, Mahnungen ins Ausland schicken bringt nichts?
Man landet sicher mal ein Glückstreffer, aber die Erfolgsaussichten sind eher minimal.
NGO: Wann bezahlt dann der Schuldner?
Die Zahlungsbereitschaft hängt von verschiedenen Faktoren ab. Erstens kann man die verschiedenen offenen Rechnungen nach Priorität unterteilen. Wenn der Schuldner nicht alle Forderungen bezahlen kann, wird er für sich entscheiden, welche Gläubiger ihm wichtig sind. Positionen wie Miete etc. werden oft als Erstes bezahlt, da man schliesslich ein Dach über dem Kopf benötigt. Zudem haben die wichtigsten Lieferanten und Leasingverpflichtungen hohe Priorität. Unterscheidet man die Forderungen nicht nach deren Art, dann geht es darum, wie viel Druck ausgeübt wird. Wird man von einem Inkassobüro oder Anwalt im eigenen Land kontaktiert, so ist der Druck viel höher, als wenn eine Mahnung aus dem Ausland kommt. Solange der Druck nicht da ist, werden solche Positionen erst zum Schluss oder gar nicht bezahlt.
NGO:Vor diesem Hintergrund – verstehen Sie, wenn über die Inkasso-Branche nicht immer positiv gesprochen wird?
Wissen Sie, Geld ist nun mal Konfliktthema Nr. 1. Viele assoziieren unsere Branche mit Geldeintreibern aus alten Filmen, bei denen die Inkassomethoden auf Basis von Angst und Gewalt aufgebaut waren. Im Allgemein sind es auch nicht die Inkassomethoden, die für einen negativen Ruf sorgen. Es gibt sicherlich auch schwarze Schafe, wie in jeder Branche, aber die meisten Inkassoinstitute liefern prinzipiell eine gute Arbeit ab. An sich ist es ganz einfach. Zwei Parteien gehen eine Geschäftsverbindung ein. Die eine liefert und die andere muss dafür bezahlen. Unsere ganze Gesellschaft ist darauf aufgebaut, dass wir Vereinbarungen einhalten. Wir werden erst beauftragt, wenn eine Vereinbarung nicht eingehalten wird. Unsere Aufgaben sind sehr wichtig. Wir bringen sehr viel Geld in die Wirtschaft zurück. Dadurch helfen wir, dass Arbeitsplätze nicht verloren gehen und Firmen über Liquidität verfügen können. Allerdings trennt sich gerade beim weltweiten, beim internationalen, beim Auslandsinkasso schnell auch die Spreu vom Weizen.
Es ist gut, dass die Inkassobranche unter verschärfter Beobachtung steht. Und es ist gut, wenn über jeden einzelnen Ausrutscher schnell berichtet wird, auch wenn nicht in jedem Fall zu Recht. Inkassobüros sind allerdings spezialisiert auf das Eintreiben von fälligen und unbestrittenen Forderungen.
Wenn jedoch der Gläubiger seine Buchhaltung nicht in Ordnung hat und uns beauftragt, obwohl eine Forderung bereits bezahlt wurde: Ist dann der Gläubiger oder das Inkassobüro verantwortlich? Manchmal ist es ganz gut zu verstehen: Wir können nicht bei jedem Kunden dessen Buchhaltung überprüfen, bevor wir einen Auftrag annehmen. Auch bei uns hat der Neukunde immer einen Vertrauensvorschuss: Wir gehen zunächst davon aus, dass eine Übergabe legitim ist.
NGO: Herr Wolff, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
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