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Die Pharmaindustrie regiert nicht nur Berlin

Wer ist Cornelia Yzer?

Lobbyismus in der Pharmaindustrie nicht nur in BerlinNach der ebenso glück- wie parteilosen Sybille von Obernitz hat die Berliner CDU nun eine neue Wirtschaftssenatorin präsentiert: Cornelia Yzer. Die 51-Jährige war zuletzt als Cheflobbyistin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa) tätig, wo sie im vergangenen Jahr von Birgit Fischer (SPD) abgelöst wurde. Intern wurde gemunkelt, dass sich die Pharmaindustrie mit dem Wechsel von Yzer zu Fischer auf einen möglichen Regierungswechsel im Bund vorbereiten wolle, der möglicherweise bessere Kontakte zur SPD als zu den jetzigen Regierungsparteien erforderlich mache. Auch wurde Yzer vorgeworfen, dass sie die Interessen der Konzerne zuletzt zwar mit viel Nachdruck, aber mit wenig Erfolg vertreten habe. Diese Vorwürfe halten einer sachlichen Überprüfung jedoch nicht stand. Tatsächlich hat die Bundesregierung im Gesetzentwurf zum AMNOG 2011 etliche Forderungen der Pharmalobby aufgegriffen.

Birgit Fischer wechselte 2007 nahtlos von der Rolle der Fraktionsvizechefin der NRW-SPD in die Chefinnenetage der Barmer. Nach der Fusion mit der GEK wurde sie 2010 Vorstandsvorsitzende der Barmer-GEK.

Schon vor ihrer Lobbyistinnenzeit wechselte Yzer zwischen der Pharmaindustrie und der Politik hin und her. 1978 wurde die Sauerländerin Mitglied der CDU und der Jungen Union, studierte dann Rechts- und Wirtschaftswissenschaft und arbeitete sich über Kreisvorstände, den CDU-Landesvorstand und ein Bundestagsmandat bis zur Parlamentarischen Staatssekretärin im Jugend- und im Bildungsministerium hoch. Der Gang zum politisch aggressivsten der Pharmaverbände erschien logisch, hatte sie doch bereits nach dem Studium leitende Funktionen beim Leverkusener Pharmariesen Bayer eingenommen. Neben ihrer Tätigkeit für den vfa gehörte sie bis 2006 dem Aufsichtsrat des US-Medizinprodukteherstellers Guidant an. Seit 2008 sitzt sie im Beirat der Management Circle AG, die Fortbildungen für Fach- und Führungskräfte u.a. im Bereich „Pharma und Gesundheit“ anbietet, so etwa für 1895 Euro eine Schulung für Mitarbeiter deutscher Pharmafirmen, die sich den „Wachstumsmarkt“ Indien erschließen wollen.

Als vfa-Chefin focht Cornelia Yzer weitgehend erfolgreich gegen jeden politischen Versuch, den Anstieg der Arzneimittelkosten zu begrenzen und die Verordnung von Medikamenten auf eine rationale, wissenschaftliche Grundlage zu stellen. So verhinderte sie die Einführung einer Positivliste erstattungsfähiger Medikamente und setzte sich für die Entmachtung des IQWIG ein, jenes Institutes, das vor allem neue Arzneimittel auf ihren Nutzen für die Patienten testen soll. Ihre Nachfolgerin Fischer kämpft inzwischen für die Interessen jener Konzerne, die sie als Kassenchefin noch massiv kritisierte. Flexibilität ist in der Gesundheitslobby offenbar karrierefördernd.

Die Personalie Yzer wurde im Abgeordnetenhaus von Berlin nicht nur mit Begeisterung aufgenommen. Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Jutta Matuschek, sieht den erneuten Seitenwechsel von Frau Yzer kritisch. Diese habe „15 Jahre lang die Einzelinteressen einer Branche vertreten.“ Matuschek schreibt Yzer einen maßgeblichen Anteil daran zu, „dass die Arzneimittelpreise völlig überhöht und intransparent sind“ und äußerte sich skeptisch, dass diese nun für das Gemeinwohl eintreten könne. Auch die Nichtregierungsorganisation LobbyControl äußert Besorgnis über einen möglichen Interessenkonflikt der Lobbysenatorin.

Die Grünen hingegen scheint die Vergangenheit der „Neuen“ nicht weiter zu belasten. Dort freut man sich, dass es wieder eine Frau geworden ist. Das verwundert nicht weiter, wenn man bedenkt, dass auch die Bündnisgrünen in Berlin beste Kontakte zum vfa haben: Norbert Schellberg wechselte 2007 unmittelbar von seiner Tätigkeit als Referent der grünen Bundestagsfraktion zu Yzers Pharmatruppe und wurde dort unmittelbarer Mitarbeiter von… Cornelia Yzer!

Auch Klaus Wowereit, der Regierende Bürgermeister (SPD) stellt sich hinter seine neue Senatorin. Er vergleicht gar die Interessenvertretung, die Yzer für die Großkonzerne geleistet hat, mit der Tätigkeit von Gewerkschaftern, die ja auch die Interessen ihrer Mitglieder verträten. Mit Yzer verbindet ihn ein langjähriger Kampf für die Interessen der Pharmabranche, sieht sie doch Berlin als „Pharmahauptstadt“. Auf der Website www.pharmahauptstadt.de versammeln sich 31 Firmen, von Klosterfrau bis zu Bayer. Nach eigenen Angaben wird in der Bundeshauptstadt jeder fünfte Euro erwirtschaftet, den die Branche insgesamt in Deutschland einnimmt und jeder zehnte Industriearbeitsplatz in Berlin befasst sich mit Pillen, Pasten und Pülverchen. Es darf also getrost davon ausgegangen werden, dass sich Berlins Bürgermeister Frank Henkel (CDU) nicht trotz, sondern wegen der einschlägigen Kontakte und Erfahrungen für die ehemalige Pharma-Frontfrau im Wirtschaftsressort entschieden hat.

Der „Seitenwechsel“ zwischen Politik und Wirtschaft bzw. Wirtschaftsverbänden ist inzwischen eines der Haupteinfallstore des Lobbyismus. Während er in der einen Richtung bei entsprechendem politischem Willen vom Gesetzgeber unterbunden werden könnte, etwa durch eine verpflichtende Karenzzeit für scheidende Regierungsmitglieder, wie sie Die Linke in der vergangenen Wahlperiode forderte, scheint der umgekehrte Weg nicht gesetzlich regulierbar zu sein. Lobbyisten, die in die Politik wechseln, lassen sich nur durch entschiedenen Widerspruch der Öffentlichkeit aufhalten.

Von Kathrin Vogler, MdB (DIE LINKE.)